Ingolstadt
„Diktatur for future“

„Wer dablost’s?“ mit den Star Fours und Bruno Jonas im Kulturzentrum neun

03.10.2021 | Stand 03.10.2021, 18:58 Uhr

Bei den Dreharbeiten zur Digitalausgabe: Die Star Fours mit Bruno Jonas und Gastgeber Andreas Hofmeir in der Halle neun. Die Show bleibt „on demand“ bis 2. November abrufbar. Der Blog des Kulturamts Ingolstadt informiert unter www.trotzdemjetzt.de über den Ticketverkauf. Foto: Schaffer

Von Jesko Schulze-Reimpell

Ingolstadt – Gutes Kabarett geht bekanntlich an Grenzen – Grenzen des politisch Korrekten, Grenzen des Anstands, verbale Grenzen, Grenzen des Humors. Und manchmal sogar an Grenzen der Fähigkeiten des Künstlers. Bruno Jonas, einer der bekanntesten, besten und beliebtesten Kabarettisten Deutschlands ist eigentlich so souverän auf der Bühne, wie man in diesem Berufsfeld überhaupt nur sein kann. Bei seinem Auftritt in Andreas Hofmeirs Show „Wer dablost’s?“ allerdings geriet der Passauer an Schranken. Schranken, die er eigentlich selbst nicht überschreiten wollte.

Im Vorfeld verriet Hofmeir dem Publikum im Saal des Kulturzentrums neun bereits, worum es geht: Jonas würde an diesem Abend mehr Musik auf der Bühne machen als in den vergangenen 40 Jahren.

Dabei ging es nicht nur um die Tuba. Natürlich, das hat lange Tradition, jeder Gast der Show wird genötigt, ein paar Töne der übelriechenden, alten Tuba „Rosalinde“ zu entlocken. Für Bruno Jonas war das keine allzu schwere Aufgabe. So wurde er gleich auch noch verpflichtet, mit den anderen Gästen des Abends, der Musikkabarettgruppe Star Fours, ein kleines Stück zum Besten zu geben – Jonas Beitrag bestand aus einer Note, dem tiefen Es. Was allerdings nur ansatzweise gelang.

Auf alles, was musikalisch danach noch folgte, hätte man als Zuschauer möglicherweise doch ganz gerne verzichtet. Es war nicht unbedingt nötig, uns zu demonstrieren, dass Bruno Jonas zwar ein fantastischer Kabarettist ist, jedoch nur ein, wie sollte man das höflich sagen, ein Gitarrist und Sänger mit viel Potenzial.

Jonas war sich seiner Sache zwischenzeitlich selbst nicht so ganz sicher. „I glaub, das war ein Fehler, dass ich die Gitarre mitgebracht hab“, stöhnte er leise. Und die Verzweiflung war ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben, als er sich immer wieder bei den Begleitfiguren verhedderte oder später beim A-cappella-Gesang die Töne nicht richtig traf. Aber er sagte auch, dass es ihn schon wurmen würde, dass er sein musikalisches Talent (das zweifellos vorhanden ist) habe brach liegen lassen.

Denn die Bühnenlaufbahn des Entertainers begann in Passau durchaus musikalisch. Als Kind noch sang er im Opernchor des dortigen Theaters, im Sprechtheater hatte er einige Soloauftritte. Im lockeren Gespräch mit Andreas Hofmeir erzählte er aber auch von seiner etwas verunglückten instrumentalen Ausbildung – vom Akkordeon (demotivierender Lehrer) über die Posaune bis hin zu Gitarre und Bass (im Selbststudium dem Vorbild Bob Dylan folgend). Geblieben ist dabei vor allem die Liebe zur Oper.

Spürbar sicherer fühlt sich Jonas natürlich, wenn er nur sprechen muss auf der Bühne. Dann ist er eine Rampensau wie nur wenige in seinem Genre. Das Publikum liegt ihm nach nur wenigen Sätzen lachend zu Füßen. Allenfalls Dieter Hildebrand hatte noch diesen spezifischen Charme, in unschuldig-freundlichem Tonfall die bissigsten Bemerkungen loszulassen. Diesmal bekamen die Grünen und die Fridays-for-future-Bewegung ihr Fett weg. Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter ginge es bei seinen politischen Zielen längst nicht mehr die Durchsetzung von Kleinkram, sondern mindestens um die Rettung der Menschheit. Jonas vermutet, dass die Grünen bald kirchensteuerpflichtig würden, weil sie zur Religionsgemeinschaft mutierten. Hofreiter wirke ja bereit physiognomisch wie der Heiland. Und den Anhängern von Greta Thunberg ginge wohl alles zu langsam, da wäre jetzt eigentlich eine „Diktatur for future“ nötig mit obligatorischer Verbots-Domina.

Kaum weniger bissig, dafür aber sehr viel musikalischere Unterhaltung boten zuvor die Star Fours. Die Gruppe befindet sich gerade auf Revival-Tournee in der Region. Denn seit 2004 sind die Künstler nicht mehr aufgetreten. Leider! Denn die Komiker sind hinreißend, allein schon musikalisch. Wie komisch, wenn sie mit „Star Wars“-Klängen auf der Bühne erscheinen, in Lederhosen und Glitzershirt, und die bombastischen Filmmusikklänge dabei geschickt mit Volksmusik kreuzen. Oder die CSU- und Aiwanger-Kritik als Renaissance-Madrigal vorgetragen wird. Oder der Senf-Song, der sich an den Wiesn-Hit „Ketchup-Song“ anlehnt mit einer verwegenen Tanzchoreografie für Alex Berger. Im Gespräch mit Hofmeir erfährt man übrigens, dass zwei der Star-Fours-Mitglieder inzwischen Musiklehrer sind und einer es zum Geografen gebracht hat. Wie gut, dass es noch ein paar Auftritte der Truppe gibt (am 6. und 7. Oktober in der Halle neun, am 31. Oktober im Landgasthof Rockermeier in Unterpindhart) – und wie schade, dass die Gruppe danach wieder in der Versenkung verschwinden wird.

DK


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