Dienstwagenflotte soll elektrisch werden

Alle Mitglieder des oberen Managements bei Audi sind angehalten, mindestens einmal im Jahr einen e-tron als Dienstwagen zu bestellen

26.08.2020 | Stand 26.08.2020, 8:59 Uhr
e-tron −Foto: Audi

Alle Mitglieder des oberen Managements bei Audi sind angehalten, mindestens einmal im Jahr einen e-tron als Dienstwagen zu bestellen

In Wolfsburg hat man ein klares Ziel - und das heißt E-Mobilität. Dabei macht die Konzernleitung nicht beim Kunden Halt. Denn was bei der Tochter Audi Anfang des Jahres begonnen wurde, soll nun auch in der Konzern-Zentrale gelten. Der Dienstwagen soll elektrifiziert sein.

VW hat in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderer Hersteller die Weichen in Richtung E-Mobilität gestellt. Auf absehbare Zeit will der Auto-Konzern mit seinen Töchtern hauptsächlich elektrisch angetriebene Modelle anbieten. Das hat sich VW-Chef Herbert Diess zur Aufgabe gemacht. Ein Beitrag von ihm im Online-Karriere-Portal LinkedIn legt nun nahe, dass er den Wandel beschleunigen will.

Diess hat demnach sein Augenmerk auf die Dienstwagen des Unternehmens gerichtet. "In den kommenden Monaten werden wir die Elektrifizierung unserer eigenen Flotte vorantreiben", meinte der VW-Chef. Das Programm werde wohl Anfang September starten. Dann soll den "Dienstwagenfahrern eine wesentlich breitere Palette an Elektro- und Hybrid-Modellen" angeboten werden. Laut Medienberichten will Volkswagen bis Ende des Jahres so einen Elektro- und Hybrid-Anteil von gut 35 Prozent erreichen.

Letztendlich ist die Vorgabe aber auch ein Einschnitt in bisher geltende Privilegien. Dem Vernehmen nach kam das nicht bei jedem gut an. Vor allem Manager und Führungskräfte sind betroffen. Nur sie dürfen "echte" Dienstwagen ordern. Diese sind nicht mit der großen Zahl an Autos zu verwechseln, die über Mitarbeiter-Leasing bezogen werden - das gilt auch für die Ingolstädter Tochter Audi. Nicht jedes Auto mit einem der in der Region bekannten Kennzeichen ist ein Dienstwagen.

Die Gedanken Diess' haben sicherlich gleich mehrere Hintergründe. Einer dürfte sein, E-Mobilität und vor allem die dazugehörigen Modelle des VW-Imperiums sichtbarer zu machen - wie rollende Werbeträger. Ein viel wichtigerer ist aber, dass die immer strenger ausgelegten EU-Vorgaben in puncto Abgase eingehalten werden sollen. Denn die Autobauer müssen bestimmte Flottenwerte erreichen. Und hier will Volkswagen vorangehen. Weiter meinte der VW-Chef zu den Plänen: "Damit unterschreiten auch die Emissionen unserer Dienstwagenflotte unser EU-Flottenziel von 97 Gramm."

In Ingolstadt wurde zu Jahresbeginn schon darüber spekuliert, dass alle Führungskräfte der Audi AG in einem e-tron Platz zu nehmen haben. Und tatsächlich ist es laut einer Sprecherin so, dass "alle Mitglieder des oberen Managements dazu angehalten" sind, "mindestens einmal im Jahr einen Audi e-tron als Dienstwagen zu bestellen". Die Möglichkeit dazu, einen elektrischen Wagen oder aber einen Plug-in-Hybrid zu nutzen, werde vom gesamten Management sehr positiv angenommen. "Bisher sind bereits mehr als 30 Prozent der Managerinnen und Manager elektrisch oder teilelektrisch unterwegs", teilte Audi mit. Wie viele Dienstwagen aktuell unterwegs sind, verriet Audi nicht und verwies darauf, dass dies in den individuellen Verträgen geregelt sei. Hierzu dürfe man keine Auskunft geben. Aber: Man arbeite "an allen Stellhebeln im Verbund des VW- Konzerns intensiv an der Erreichung der CO2-Flottenziele in Europa".

Zur Einordnung: Seit diesem Jahr gilt in der EU eigentlich das Ziel von 95 Gramm CO2 pro Kilometer - aber nach dem alten Prüfzyklus NEFZ. Ab 2021 sollen dann 95 Gramm auf die Gesamtflotte in der EU erreicht werden. Das richtet sich dann bereits nach dem neusten Testverfahren WLTP2. Das Bundesumweltministerium teilt hierzu mit, dass die Werte hierdurch um etwa 20 Prozent ansteigen dürften. "Der NEFZ-Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer würde demnach einem WLTP-Flottengrenzwert von ungefähr 115 Gramm pro Kilometer entsprechen." Was nun ab kommendem Jahr bis 2024 tatsächlich gelten wird, ist noch nicht sicher. Der endgültige Wert werde laut Ministerium erst 2021 bekannt.

Im Druck infolge der Emissionsgrenzen sieht auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer einen Grund, warum Diess mehr E-Fahrzeuge und Hybride im VW-Firmenfuhrpark fordert. Die Hersteller müssten nun auf die eingeforderten 95 Gramm kommen - "und ohne E-Autos schaffen Sie das nicht", sagte Dudenhöffer. "Da spielt der eigene Fuhrpark eine große Rolle. Wir haben berechnet, dass jedes E-Fahrzeug bis zu 10 000 Euro an Strafzahlungen einsparen kann", erklärt der Experte. Und da beim eigenen Bestand anzufangen, sei sinnvoll.

An einen reinen Marketing-Gag glaubt der renommierte Experte auf keinen Fall: "Ich denke, Diess meint es ernst. Ein Werbe-Gag würde schnell entlarvt und Volkswagen baut die E-Mobilität derzeit aus." In der Tat steht der Elektrowagen ID.3 inzwischen so gut wie beim Händler - wenn auch aufgrund mehrerer Elektronikpannen mit ein wenig Verspätung. Auch die Produktion des E-SUV VW ID.4 ist gerade in Zwickau angelaufen. Und es werden in den kommenden Jahren weitere reine E-Autos folgen, nicht nur bei VW. Auch Audi arbeitet an der Einführung mehrerer Stromer. Dazu nun noch die klare Dienstwagen-Ansage aus Wolfsburg - "das passt alles zusammen", so Dudenhöffer.

Als echte Pflicht zum Fahren eines E-Autos kann der Plan der VW-Führung am Ende jedoch nicht verstanden werden. Aber: Wer ab dem 1. September noch einen klassischen Dienstwagen hat, könnte zur Kasse gebeten werden. Volkswagen plant laut einem Bericht des "Münchner Merkur", von diesen Mitarbeitern 15 Euro monatlich zu verlangen, die in Klimaschutzprogramme fließen sollen.
Von Christian Tamm