Die unendliche Reise des "Emil Zatopek"

Streit zwischen der Bahn und Skoda verhindert Einsatz neuer Regionalzüge von Ingolstadt nach Nürnberg

07.05.2020 | Stand 07.05.2020, 8:25 Uhr
Zug −Foto: Fahn

Streit zwischen der Bahn und Skoda verhindert Einsatz neuer Regionalzüge von Ingolstadt nach Nürnberg

Seit knapp dreieinhalb Jahren sollten die Reisenden auf der Schnellfahrstrecke zwischen Ingolstadt und Nürnberg eigentlich in neuen Regionalzügen Platz nehmen. Bis heute fahren sie noch in den alten Zügen - eine Änderung ist nicht in Sicht. Die Deutsche Bahn (DB) schiebt die Schuld auf den Hersteller der Züge, Skoda Transportation. Das Unternehmen im tschechischen Pilsen äußert sich nicht.

Die DB weigert sich bislang, die sogenannten Skoda-Züge abzunehmen. Skoda hat die knapp 190 Stundenkilometer schnellen Züge speziell für den Einsatz auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke konstruiert. Dort müssen die Wagen den gewaltigen Druck aushalten, wenn der Zug im Tunnel einem ICE begegnet, der mit Tempo 300 unterwegs ist. "Eine Abnahme erfolgt erst, wenn die Zulassung des Eisenbahnbundesamtes ohne Einschränkungen und Auflagen erfolgt", heißt es dazu bei der DB. Um welche Einschränkungen es sich handelt, sagt die Bahn nicht. "Das klären wir mit dem Hersteller. " Skoda wiederum antwortet nicht auf entsprechende Anfragen.

Nach Angaben des Eisenbahnbundesamts (EBA), das für die Zulassung von Schienenfahrzeugen in Deutschland zuständig ist, wurde diese im Dezember 2019 erteilt: "für die Region Nürnberg-Ingolstadt- München" und "für Lokomotiven, Steuer-, End- und Mittelwagen in verschiedenen Konfigurationen", wie von Skoda beantragt. Zu möglichen Streitpunkten zwischen der Bahn und Skoda will man auch beim EBA nichts sagen: Einzelheiten sollten bei der Bahn und Skoda erfragt werden, teilt die Behörde mit.

Nach Informationen aus Bahnkreisen würde das Staatsunternehmen das Geschäft gerne platzen lassen und von Skoda Entschädigung verlangen - oder den Preis deutlich drücken.

Die Bestellung datiert vom 5. August 2013. Einen Monat zuvor hatte die Deutsche Bahn von der bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) den Zuschlag für den Regionalverkehr zwischen München und Nürnberg ab Dezember 2016 auf den Strecken über Ingolstadt und Treuchtlingen sowie über die Neubaustrecke Ingolstadt-Nürnberg bekommen. Die BEG organisiert, bestellt und überwacht den Regionalverkehr auf der Schiene im Freistaat.

Für 110 Millionen Euro sollte die Deutsche Bahn 6 Lokomotiven und 36 Doppelstockwagen bekommen. Die Züge sollten aus einer Lok, fünf Zwischen- und einem Steuerwagen bestehen und 679 Sitzplätze in der zweiten und 26 in der ersten Klasse bieten. Außerdem soll es Platz für bis zu 37 Fahrräder geben. Das Spitzentempo für die neue Garnitur wurde auf 189 Kilometer in der Stunde festgelegt - ab 190 wären die Anforderungen an den Zug höher gewesen. Was sich entsprechend auf die Kosten ausgewirkt hätte.

Die Bahn betrachtete die Bestellung bei Skoda auch als Druckmittel gegen die eingesessene westeuropäischen Bahnindustrie, die den Markt mehr oder minder unter sich aufgeteilt hatte. Mit denen gewohnten Lieferanten hatte die Bahn allerdings in den vorangegangenen Jahren zum Teil große Probleme gehabt: Züge wurden zu spät geliefert und wenn sie dann eingesetzt wurden, waren sie von einer Alltagstauglichkeit weit entfernt. Immer wieder musste die Bahn Vertragsstrafen zahlen.

Auch für Skoda bot das Geschäft die Chance, endlich einen Fuß in die Tür zum westeuropäischen Markt zu bringen. Den teilten Alstom, Bombardier, Siemens und Vossloh damals noch weitgehend unter sich auf. Skoda blickt auf eine lange Tradition beim Bau von Eisenbahnfahrzeugen zurück: Seit den 1920er-Jahren werden in Pilsen Lokomotiven und Triebwagen produziert. Und die Tschechen hatten eine Lok im Angebot, die perfekt zu den Anforderungen passte: die "Emil Zatopek" - benannt nach einem berühmten tschechischen Langstreckenläufer.

Doch schon bald zeigten sich Probleme bei der Zulassung. Zur geplanten Einführung im Spätherbst 2016 war klar, dass die neuen Züge mindestens zwei Jahre Verspätung haben würde. Mit Details hielten sich die Beteiligten schon damals auffällig zurück.

2017 gab es dann die ersten Testfahrten auf der künftigen Einsatzstrecke. Probleme tauchen nach Informationen aus Bahnkreisen zufolge vor allem bei der Elektronik auf, die durch den Strom aus der Fahrleitung gestört wurde. Dennoch stellte die Deutsche Bahn die "neuen Züge" im Oktober 2018 öffentlich vor - teilte aber gleichzeitig mit, dass sich die Einführung weiter verzögern würde. Der technische Leiter von Skoda Transportation, Guido Vogel, sagte im Herbst 2018 gegenüber unserer Zeitung mit Blick auf die Schwierigkeiten: "So ein Zug war bisher in Deutschland nicht verfügbar. " Ab Sommer 2019 sollten die Züge DB-Angaben zufolge nach und nach in Betrieb genommen werden, ab Dezember sollten sie schließlich planmäßig verkehren.

Doch daraus wurde nichts. Als die EBA-Zulassung im Dezember kam, verweigerte die Deutsche Bahn die Abnahme der Züge. Noch immer ist unklar, wann die DB und Skoda ihren Streit beilegen. Auf die Frage nach dem Einsatz der neuen Züge heißt es bei der Bahn kurz: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir derzeit keinen Termin für den Einsatz der neuen Züge nennen können. "

Dabei müsste das Unternehmen Interesse haben, dass die Skoda-Züge schnellstmöglich in Betrieb gehen: Immerhin behält die BEG seit 2016 als Strafe für die nicht der Bestellung entsprechenden Züge Teile der Zahlungen an die DB ein. Die Fahrgäste nehmen derweil weiter in umlackierten IC-Wagen Platz, die seit Betriebsbeginn im Herbst 2006 auf der Strecke unterwegs sind. Allerdings werden bei der Bahn genau diese Wagen knapp. So fiel zuletzt regelmäßig ein Abendzug von Ingolstadt nach Nürnberg aus, weil eine Zuggarnitur fehlte. Allerdings können für den "Allersberg-Express" von Nürnberg nach Allersberg neue Züge eingesetzt werden, sodass die Bahn wieder umgebaute IC-Wagen zur Verfügung hat. Nach BEG-Angaben kann der Zug um 17.37 Uhr von Ingolstadt nach Nürnberg deshalb ab 14. Juni wieder angeboten werden.

In den kommenden Monaten dürften bei der BEG übrigens die Planungen für die neue Ausschreibung des Regionalverkehrs auf der Neubaustrecke Ingolstadt-Nürnberg beginnen. Der aktuelle Vertrag, dessen Inhalt die Skoda-Züge sind, läuft nämlich 2028 aus.

Von Christian Fahn