Die Liebe trieb ihn einst nach Ingolstadt

05.10.2017 | Stand 09.10.2019, 3:38 Uhr

Nach fast 40 Jahren kehrt Gino Iacobelli der Ingolstädter Gastronomie den Rücken und gibt sein Lokal in neue Hände Von Michael Schmatloch Wer heute in Ingolstadt italienisch essen gehen möchte, der hat die Qual der Wahl. Vom edlen Ristorante bis zur einfachen Trattoria, vom Italo-Fastfood bis zur Pizzaschnitte an der Ecke macht die Schanz dem geflügelten Wort alle Ehre, demzufolge Ingolstadt

Nach fast 40 Jahren kehrt Gino Iacobelli der Ingolstädter Gastronomie den Rücken und gibt sein Lokal in neue Hände

Von Michael Schmatloch

Wer heute in Ingolstadt italienisch essen gehen möchte, der hat die Qual der Wahl. Vom edlen Ristorante bis zur einfachen Trattoria, vom Italo-Fastfood bis zur Pizzaschnitte an der Ecke macht die Schanz dem geflügelten Wort alle Ehre, demzufolge Ingolstadt die nördlichste Stadt Italiens ist. Einer, der diesen wohlwollenden Ruf mit begründet und die italienische Gastronomie in der Stadt beinahe 40 Jahre lang begleitet und forciert hat, ist Gino Iacobelli, der heute das Ristorante Basco in der Donaustraße führt. Noch, denn Ende des Jahre ist für ihn Schluss. Endgültig.

„Ich bin zu alt und zu müde“, sagt er, fragt man den quirligen Mann aus Ischia nach dem Grund für seinen Rückzug aus der Ingolstädter Gastroszene. Aber sein Lachen zeigt, dass er das nicht ganz so ernst meint. Und dann nennt er den wahren Grund, warum er das Lokal aufgibt: die Krankheit seiner Frau Patrizia. „30 Jahre in der Küche hinterlassen Spuren“, meint Gino, der sich jetzt mehr um seine Frau kümmern will.

Sie kennt er beinahe solange wie er in Ingolstadt ist. Nach vier Jahren in einem Edelrestaurant in Aachen kam Gino Iacobelli 1979 an die Donau. Zunächst als Bedienung im damaligen Holiday Inn, ein Jahr später dann in einer kleinen italienischen Pizzeria in der Proviantstraße. „Ich kam nach Ingolstadt wegen einer Frau“, lacht Gino, „aber nicht wegen der, mit der ich heute noch glücklich verheiratet bin.“ Denn die lernte er genau in dieser kleinen Pizzeria in der Proviantstraße kennen. Patrizia, die Schwester des Inhabers Claudio Tomei, der seit vielen Jahren die Pizzeria „Michelangelo“ führt.

Kennenlernen und heiraten ging dann in süditalienischem Tempo. 1980 hat er Partizia zum ersten Mal gesehen, 1981 bereits geheiratet. 1981 war dann auch der Schritt in die Selbständigkeit. Zuerst mit einer kleinen Pizzeria an der Richard-Wagner-Straße, die er bis 1990 betrieb.

Gino aber wollte mehr, mehr italienische Küche als nur Pasta und Pizza. Und so eröffnete er zusammen mit einem Partner in Wettstetten sein erstes Ristorante Da Gino. „Wir haben die italienische Küche, wie sie damals hierzulande bekannt war, umgekrempelt. Selbst gemachte Nudeln, frischer Fisch, Balsamico auf jedem Tisch, guter Wein statt Lambrusco.“ Heute beinahe eine Selbstverständlichkeit, war das 1990 und noch dazu in Wettstetten eine kleine Revolution.

Neun Jahre lang betrieb er sein Lokal, bevor ihn nach so vielen Jahren das Heimweh übermannte und er mit Frau und seinen zwei Kindern zurückging nach Italien und südlich von Salerno ein kleines Hotel am Meer eröffnete. „Aber ich war schon längst viel zu deutsch geworden“, erzählt er über die kurze Eposode in seiner alten Heimat. Sie dauerte deswegen wohl auch nur zwei Jahre, dann war Gino wieder in Ingolstadt. Und eröffnete sein neues „Ristorante Da Gino“ in der Neuburger Straße. 2001 war das. Und wiederum zehn Jahre später ging Gino dann in die Innenstadt, in die Donaustraße, wo er das fast drei Jahre leerstehende Lokal Basco übernahm.

Hier findet der gastronomische Weg von Gino Iacobelli sein vorläufiges Ende. Denn Ende des Jahres übergibt er sein Ristorante an Christian Marzel und Tino Blankenburg. Beide sind als Koch und Kellner seit über fünf Jahren bei ihm. „Ich hoffe, dass ihnen meine Kunden treu bleiben“, meint Gino, der in all den Jahren nicht nur ein gutes Geschäft gemacht hat, sondern auch spürt, das es eng und enger wird für mittelständische Lokale.

„Wir erleben doch eine wahre Fastfood-Orgie“, sagt er und meint nicht nur die klassischen Fastfood-Läden, sondern auch das Italo-Fastfood, wie der die Systemgastronomie mit italienischem Anstrich nennt. „Mit italienischer Kultur hat das nichts zu tun“, schimpft er und auf die Tatsache, dass die Fastfood-Mode, zu der er auch die Metzgerimbisse und Bäckereien rechnet, den Lokalen das Mittagsgeschäft systematisch kaputt gemacht hat. „Vor 35 Jahren hatten wir in Ingolstadt einen einzigen McDonalds“, sagt Gino, „heute wimmelt es vor McDonalds, Burger Kings, Dönerständen und, und, und.“ Auch das Konzept italienischer Bars mit Pasta für drei Euro hat weh getan, wie er zugibt. „Wir bekommen mehr und mehr amerikanische Verhältnisse“, so Gino, „ich hoffe ja, dass ich mich irre. Aber so wird es für mittelständische Lokale immer schwerer, zu überleben.“ Das Mittagsgeschäft sei derart „bombardiert“ worden, das am besten noch der mithalten könne, der auf der billigen Schiene fahre und billige Ware auf den Teller bringe. Zwar sei das Geschäft an den Abenden und am Wochenende noch immer ganz gut, aber der Wettbewerb sein unfairer geworden und im Vergleich zu den großen Konzernen werden „wir gepresst wie Zitronen.“

Und Ingolstadt sei nun mal auch ein „besonderes Pflaster“. „Wir haben zwar wahnsinnig viel Geld, aber es bleibt eben doch eine Arbeiterstadt“, sagt Gino, der sich nach so vielen Jahren in der Gastronomieszene seinen Reim gemacht hat auf die Besonderheiten dieser Stadt.

Der jedoch bleibt er treu. Wenn auch nicht als Wirt, so kehrt er dem italienischen Essen und dem Wein doch nicht ganz den Rücken. Denn im kommenden Jahr macht er sich mit einem Großhandel für italienische Produkte selbstständig. Als Lieferant für Lokale und Restaurants in der ganzen Region. Und trotz der auch hier reichlich vorhandenen Konkurrenz ist er frohen Mutes: „Du musst halt besser sein. Und Du musst kämpfen.“ Aber das hat er ja gelernt als Wirt mit fast vierzig Jahren Erfahrung, nach denen für ihn eine am Ende wirklich zählt: „Wir sind zufrieden.“