Der teure „Eintrittspreis“ ins Nichts

Die vielfach gescholtenen Parkgebühren in Ingolstadt sind kaum der Grund für die mangelnde Attraktivität der City

08.07.2020 | Stand 08.07.2020, 10:50 Uhr
Fußgängerzone −Foto: Schmatloch

Die vielfach gescholtenen Parkgebühren in Ingolstadt sind kaum der Grund für die mangelnde Attraktivität der City

Ein Kommentar von Michael Schmatloch

Da fährt man in die Ingolstädter Innenstadt, um einen schönen Tag zu haben. Und am Automaten in der Tiefgarage folgt dann danach das böse Erwachen, wenn der einem für ein paar Stunden zehn Euro und mehr aus der Tasche zieht. Gut, das passiert einem in München, Regensburg oder Augsburg auch. Aber da hatte man wirklich einen schönen Tag. In Ingolstadt indes empfindet man die Parkgebühren als zu viel teuer, als zu rechtfertigenden Eintrittspreis ins Nichts.

Es ist beinahe schon ein Pawlowscher Reflex. Wann immer die Sprache auf die desolate Ingolstädter Innenstadt kommt, auf mangelnden Umsatz der Geschäfte und überschaubare Besucherfrequenz, ist die Parkplatzsituation schuld. Nicht zuletzt verbunden mit dem Argument, dass ja am Westpark und im Village das Parken frei sei.

Mit zwei Euro pro Stunde sind die Tiefgaragen in Ingolstadt sicher nicht ausgesprochen billig, liegen gleichauf mit Augsburg, etwas über Würzburg oder Regensburg und spürbar unter München, wo man allerdings auf oberirdischen Plätzen in der City, wenn man denn einen findet, auch für 2,50 Euro pro Stunde parken kann.

Warum man sich aber in Augsburg, München oder Regensburg nicht ereifert über die Parkgebühren, das ist der „Gegenwert“. Denn für einen schönen Tag in einer lebendigen und interessanten Stadt zahlt man die Parkgebühren gerne. Diesen „Gegenwert“ vermisst man in der City von Ingolstadt, was einem eben spätestens beim Entrichten der Parkgebühren klar wird.

Wer nicht gerade auf ein billiges T-Shirt aus Pakistan oder Bangladesch scharf ist oder ein paar Schuhe für gute 10 Euro, fühlt sich in der Innenstadt wie im falschen Film. Die erwähnenswerten Geschäfte sind selten geworden und können trotz eifrigem Bemühen kaum einen amüsanten Einkaufsbummel garantieren. Die zentralen Plätze der Stadt – der Rathausplatz etwa, der Paradeplatz oder der Viktualienmarkt – animieren nicht zum Verweilen. Die Ramschmeile Ludwigstraße zu keinem Blick in die Schaufenster. Das schafft auch kein neues Pflaster Abhilfe.

Es sind nicht die kostenlosen Parkplätze, die FOC und Westpark als Einkaufsdestinations attraktiver machen als die Innenstadt. Es ist eher das Einkaufserlebnis und das Angebot. So gesehen ist es auch verständlich, dass die städtische Tourismus GmbH auf ihrer Homepage nicht die Innenstadt als Einkaufsadresse Nummer eins platziert, sondern Ingolstadt Village. Und so die ohnehin spärlichen Touristenströme ins Outback leitet und nicht in die City. Doch ausgerechnet bei der Touristik GmbH sieht Stadtrat Christian Lange das Innenstadtmarketing bestens aufgehoben, wie er in dem Wirbel um den Innenstadtverein IN City meinte.

Wie auch immer ein funktionierendes Innenstadtmarketing aussehen soll: Bevor man etwas vermarktet, muss etwas da sein, das der Vermarktung lohnt. Und was das sein könnte, darüber zerbrechen sich gerade nach dem Aus der Ingolstädter Kaufhof-Filiale Berufene und weniger Berufene den Kopf. Ein runder Tisch zur Innenstadt soll etabliert werden, eine Bürgerbeteiligung Klarheit bringen. Eine beinahe biblische Situation, die Jesus einst sagen ließ: „Viele fühlen sich berufen, doch nur wenige sind auserwählt.“

Und da viele Köche bekanntermaßen den Brei verderben, wäre die Stadt vielleicht gut beraten, sich den Rat von jemandem einzuholen, der sich in der ob des aufblühenden Internethandels ohnehin schwierigen Situation mit diesem Thema wirklich auskennt und Visionen entwickeln kann für eine zukunftsfähige Innenstadt. Der diese Frage nicht mit Parkplatzsituation oder neuem Pflaster zu beantworten sucht und nicht den Blick tröstend auf andere Städte richtet, deren City vergleichbare Probleme hat, sondern auf die, wo es trotz aller Herausforderungen funktioniert.

Und egal, ob nun die Stadt das von der Schließung bedrohte Kaufhofgebäude erwirbt, ob Jürgen Kellerhals in dem von ihm gekauften ehemaligen C&A-Gebäude eine tragfähige Idee für den Innenstadthandel zu entwickeln in der Lage ist: Es wird Jahre dauern, bis in diesem Bereich der City etwas Neues entsteht. Jahre, die die Innenstadt nicht hat.