Der Applikator ist der Star

Im Audi-Werk gelingt das Lackieren inzwischen bei manchen Modellen höchst präzise und ohne Abkleben

16.09.2020 | Stand 16.09.2020, 8:18 Uhr
Lack −Foto: Berger, Audi

Im Audi-Werk gelingt das Lackieren inzwischen bei manchen Modellen höchst präzise und ohne Abkleben

Wenn man dem Applikator so zuschaut, wünscht man sich diese 100-prozentig saubere Präzision auch zu Hause. Wenn das Wohnzimmer mit zwei verschiedenen Farben verschönert werden soll. Aber: Das sogenannte oversprayfreie Lackieren mit zwei Farben klappt nur bei Audi, momentan auch nur beim Dach spezieller Modelle. Diese Kontrastlackierung gelingt sogar in einem Durchlauf. Kein Abkleben, kein Tröpfchen, das daneben geht. Und alles viel schneller als bei einer herkömmlichen Lackierung.

Dieses neue Verfahren, abgekürzt OFLA genannt, hat Audi mit Partnern entwickelt: mit der Dürr AG (automatisierte Bahnprogrammierung und Applikator EcoPaint), der Carl Zeiss Automated Inspection GmbH (robotergeführtes, hochpräzises Messsystem), mit PPG und BASF (Lack), mit der ISRA VISION AG (Karosserielageerkennung) und mit der Heraeus Noblelight GmbH (Dachtrocknungsmodul). Die Entwicklungszeit von der ersten Idee bis zum ersten Serienfahrzeug: rund zwei Jahre. Intensiv erprobt wurde das neue Verfahren von Audi seit dem Frühjahr 2018, seit Sommer 2019 ist die Schwarzdach-Kontrastlackierung in der Serie möglich.

Audi setzt diese Technik übrigens als erster Automobilhersteller ein. Daher war Stolz spürbar, als am Montagnachmittag Carsten Mohr (Leiter Lackiererei Ingolstadt), Julia Holzapfel (Projektleiterin OFLA), Marika Paulus (Umweltbeauftragte Lackiererei) und Rüdiger Recknagel (Leiter Umweltschutz) die Neuerung - und auch ihre Vorteile für die Umwelt - vorgestellt haben. OFLA funktioniert aktuell bei der A4-Limousine, beim A5-Coupé und bei der S3-Limousine - wenn das Dach als Kontrast zur Wagenfarbe auf Wunsch brillantschwarz lackiert wird. Bisher wurden Kontrastlackierungen aufgrund der herkömmlichen Lackzerstäuber, die Overspray (Sprühnebel) verursachen, mit Maskieren (Abkleben mit Plastikfolie und Klebeband), Schleifen und einem zweiten Lackdurchlauf realisiert.

Zurück zum nebelfreien Lackieren: Der Applikator (also der Aufsatz auf einem Roboterarm, der die Farbe verteilt) ist der Star dieses Prozesses. Erst werden die Kanten der Fläche vermessen, die lackiert werden soll, und dann - gleich einem direkt verwandelten Freistoß von Lionel Messi - wird der Lack millimetergenau aufgetragen. Eher halbmillimetergenau. Schade eigentlich, dass man beim Lackieren seines Autos nicht zuschauen kann. Das klappt bei Messi schon eher.

Die Verantwortlichen bei Audi sprachen bei der Präsentation von OFLA von einer Revolution beim Lackieren. Daher sind die nächsten geplanten Schritte verständlich: die Weiterentwicklung für zusätzliche Derivate und Dachvarianten. Zum Beispiel für Fahrzeuge mit großen Heckklappen wie Avants, Sportbacks oder SUVs. Aus Umweltschutzgründen, so verriet einer der Verantwortlichen, müsse es das Ziel sein, eines Tages die komplette Karosserie so zu lackieren.

Mohr stellte den vielschichtigen Prozessablauf in der Lackiererei ("eine der größten in Europa") vor, Holzapfel betonte, dass OFLA momentan nur bei der Individualisierung von Fahrzeugen - also bei einer Dachkontrastlackierung - eingesetzt wird. Musste die Karossiere bei so einem Wunsch früher zweimal durch die Lackiererei, klappt es dank OFLA nun in einem Aufwasch. Vorteile laut Mohr und Holzapfel: Kostenreduzierung, Zeitersparnis. Nebenbei schont OFLA auch die Umwelt (weniger Lack, weniger Material).

Das passe gut in das Programm "Mission Zero", das eine konsequent nachhaltige Produktion verfolge, sagt Recknagel. "Bis 2025 sollen alle Audi-Werke, auch das in Ingolstadt, CO2-neutral produzieren. " Das Hauptwerk liegt derzeit erst bei 70 Prozent, Neckarsulm und Mexico bei 75, Brüssel und Györ haben die 100 Prozent bereits erreicht.

Von Oliver Konze