Straftaten im Internet: Justizminister Eisenreich stellt eine Aufklärungskampagne für Schüler vor
„Der Ärger ist nur einen Klick entfernt“

08.02.2023 | Stand 09.02.2023, 6:15 Uhr
−Foto: Hammer

Von Lena Krammer

Die stotternde Klassenkameradin beim Referat gefilmt und das Video in den Klassen-Chat geschickt; ein Nacktfoto seiner Exfreundin an die Jungs weitergeleitet – schon hat man sich strafbar gemacht.

Die Ausrede „Das war doch nur Spaß“ zieht bei der Polizei und Staatsanwaltschaft dann aber nicht mehr. In solchen Fällen drohen satte Strafen. Um Schüler vor Straftaten und Strafverfahren zu schützen, hat Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) die Aufklärungskampagne „Mach dein Handy nicht zur Waffe!“ ins Leben gerufen. Diese stellt er in ganz Bayern vor – so auch am Mittwoch in Ingolstadt.

Rund 25 Schüler einer zehnten Klasse der Köschinger Realschule hängen an den Lippen der Jugendrichterin Rebecca Hupke und Jugendstaatsanwältin Sophia Hager. Diese berichten von echten Fällen, die zur Anzeige gebracht wurden und im Gerichtssaal endeten. „Was ihr in der realen Welt nicht dürft, dürft ihr auch im Internet nicht“, lautet die Grundregel der Richterin Hupke. 

Anonymität im Internet? Das Netz vergisst nicht
Das große Problem sei: „Die Hemmschwelle ist online viel niedriger“, so die Jugendrichterin. Es ist anonymer und viel leichter, zu beleidigen, zu hetzen oder verbotene Inhalte zu verbreiten. Aber: „Das Entdeckungsrisiko ist online viel höher“, sagt die Jugendstaatsanwältin Hager. Denn eine Beleidigung auf offener Straße ist nach dem Aussprechen sofort wieder verhallt. „Was einmal im Netz ist, bleibt für immer dort.“

Strafbar – dieses Wort fällt ziemlich oft. Ein beleidigender oder herablassender Kommentar über einen Klassenkameraden im Netz? Strafbar. Heimliche Fotos von Mitschülern in der Umkleide machen und sogar noch teilen? Strafbar. Pornografische Videos von Kindern oder Jugendlichen auf dem Handy haben? 

Strafbar. „Die Polizei fährt Streife im Netz“, sagt Hupke. Und wenn die Staatsanwaltschaft etwas erfährt, muss sie ermitteln. Bei einer Verurteilung warten satte Strafen: Vom Entzug des Handys über einen Eintrag ins Erziehungsregister bis hin zu Geld- und Freiheitsstrafen. Eisenreich betont: „Es ist besser, wenn es erst gar nicht zu einer Straftat kommt.“

Deshalb will das Justizministerium mit der Aufklärungskampagne gezielt Schüler ansprechen und für das Thema sensibilisieren. Denn die Jugendlichen seien sich oft gar nicht bewusst, wie schnell sie sich strafbar machen. „Ich wusste gar nicht, dass so viele Kleinigkeiten so schnell strafbar werden können“, bestätigt auch die 15-jährige Leni. „Mit dem Handy hat man ganz andere Möglichkeiten, um Fotos und Videos zu verbreiten. Das kann aber auch ganz schnell Ärger bedeuten“, macht der Minister bewusst.

Falco Punch klärt auf: „Das geht gar nicht!“
Das macht auch der Influencer Falco Punch noch einmal in einem zweiminütigen Video ziemlich deutlich, das im Mittelpunkt der Kampagne steht. Denn es fängt schon mit den kleinen Dingen an: Beleidigungen, Likes und Kommentare.

Man selbst muss nicht einmal selbst aktiv werden: Jemand schickt ein kinderpornografisches Foto, das man gar nicht haben will? Das muss sofort gelöscht oder bei der Schule oder Polizei gemeldet werden. Sonst macht man sich strafbar.

Das Handy ist heutzutage jedermanns „private IT-Zentrale“, so Münchner Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle. Es kann aber auch ein Werkzeug sein, um in die Privatsphäre anderer einzubrechen, heißt es in dem Video. „Oft ist der Ärger nur ein oder zwei Klicks weit entfernt“, so Minister Eisenreich. 

Auch Jugendrichterin Hupke und Jugendstaatsanwältin Hager wollen eine wichtige Botschaft an die Schüler loswerden: „Zeigt Respekt und Mitgefühl. Das sind keine Spaßtaten, sondern Straftaten. Zeigt Haltung. – Schwimmt nicht einfach auf der Welle der LOLs mit. Habt Mut. Verlasst Gruppen, löscht Inhalte, meldet Straftaten.“

Erschreckende Fallzahlen in Ingolstadt
Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist – unabhängig vom Tatort Schule – im Bereich Kinderpornografie bundesweit die Anzahl der Tatverdächtigen unter 18 Jahren von knapp 1400 im Jahr 2018 auf rund 14500 im Jahr 2021 gestiegen. 

Auch in Ingolstadt würden die Zahlen von gewaltverherrlichenden Inhalten, verbotenen Kennzeichen wie dem Hakenkreuz oder der SS-Rune und auch kinderpornografische Inhalte erschreckend steigen: „In den letzten zwei bis drei Jahren haben sich die Zahlen im beschriebenen Kriminalitätsfeld verdoppelt oder verdreifacht“, sagt mit Nicolas Kaczynski der Leitende Oberstaatsanwalt Ingolstadts.

Im vergangenen Jahr gab es 285 Verfahren wegen verbotenen Kennzeichen und Inhalten und 388 Verfahren wegen Kinder- und Jugendpornografie. Auch gegen strafunmündige Kinder – also Kinder unter 14 Jahren – wurde 350 Mal ermittelt. 

Oberstaatsanwalt Kaczynski blickt mit Schrecken auf die deutlich angestiegenen Fallzahlen und bezeichnet die Situation als „Flächenbrand“. Die Dunkelziffer der Straftaten in diesem Bereich schätzt die Jugendrichterin Rebecca Hupke aber viel höher.