"Der Absturz der CSU zeigt Wirkung“

Lockert Bayern die strengen Corona-Beschränkungen aus infektiologischen oder politischen Gründen?

04.05.2021 | Stand 04.05.2021, 17:17 Uhr
Markus Söder −Foto: CSU-Fraktion

Lockert Bayern die strengen Corona-Beschränkungen aus infektiologischen oder politischen Gründen?

Von Alexander Kain

Nach monatelangen strikten Corona-Beschränkungen leitet Bayern ab kommenden Montag stufenweise Lockerungen ein. Markus Söder spricht von "Erleichterungen mit gutem Gewissen".

Mantrahaft hat Bayerns Ministerpräsident im Frühjahr betont, dass die Inzidenzen erst unter 50 sinken müssten, ehe man wieder mehr über Öffnungen nachdenken könne - schließlich sei Kontaktnachverfolgung bei Inzidenzen über 50 relativ aussichtslos, aber unabdingbar notwendig. In der Gastronomie, so ein weiterer Hinweis Söders aus dem Frühjahr, habe man im vergangenen Frühjahr gar erst bei Inzidenzen unter zehn wieder geöffnet. Noch Mitte Februar lautete ein zentraler Satz seiner Regierungserklärung, dass man "mit Freude" öffne, wenn die Inzidenzen es hergäben - aber bei schlechten Inzidenzen "öffnen wir aus Sorge nicht". Damals lag die weiß-blaue Inzidenz im Bereich von 60.

Aktuell liegt sie bayernweit bei 140 - und man meint, den bayerischen Ministerpräsidenten seit ein paar Tagen kaum wiedererkennen zu können: und

Der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Martin Hagen, vermutet hinter Söders Öffnungen weniger infektiologische Gründe, sondern vielmehr politische: "Der Absturz der CSU in den Umfragen zeigt Wirkung. Söder korrigiert seine Politik, weil ihm die Wähler davonlaufen."

Nur bei der Ausgangssperre ab 22 Uhr, da meinen politische Beobachter einen Anflug von demonstrativer Sturheit bei Söder zu erkennen: Nicht nur, dass es in Bayern vorerst bei der verschärften Form bleibt, bei der man sich nach 22 Uhr nicht mal mehr zum Joggen vor die Haustüre wagen darf, etwas, womit Berlin kein Problem hätte. Nein, nicht einmal dem Koalitionspartner, den Freien Wählern um Hubert Aiwanger, die sich an der Ausgangssperre derart stören, dass sie sogar vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dagegen klagen, will Söder entgegenkommen. Bayern bleibt hart, nach 22 Uhr hat niemand ohne guten Grund draußen etwas zu suchen. In München wird schon gewitzelt, Söder könne sich nach 22 Uhr Alleinjogger allenfalls dann vorstellen, wenn sie vorher negativ getestet worden seien.

Dass das nun seit anderthalb Jahren anhaltende Hin und Her bei den Corona-Maßnahmen längst zu einem selbst für Fachleute kaum mehr zu durchschauenden Rechtsdickicht und Regelungswirrwarr geführt hat, dessen Akzeptanz in der Bevölkerung zunehmend unter erheblichem Schwund leidet, wird durch die steigende Zahl an Geimpften und Genesenen nicht einfacher - weil sich ihre Rechte und Freiheiten kaum mehr plausibel einschränken lassen.

Den juristischen Zusammenhang erklärte Söder selbst: Als noch die Länder für die Corona-Maßnahmen zuständig waren, waren vorwiegend die Verwaltungsgerichte für die Überprüfung zuständig. Deren Fokus lag auf Gleichbehandlung. Mit dem Bundesnotbremsegesetz ist nun das Bundesverfassungsgericht zuständig - dessen Fokus vielmehr auf dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger und der Beachtung der Rechte des Bürgers liegt.

Als "psychologisch wichtig" erscheint es dem weiß-blauen Ministerpräsidenten zudem, für den Pfingsturlaub Perspektiven zu bieten: Ab 21. Mai ist Tourismus in Regionen mit einer Inzidenz unter 100 wieder erlaubt - Hotels, Ferienwohnungen, Campingplätze.

Beschlossen hat das Kabinett am Dienstag zudem die Eckpunkte, die Söder und die CSU bereits am Montag verkündet haben - womit sie natürlich dem Koalitionspartner, den Freien Wählern, die Show gestohlen haben: Neben den besagten Erleichterungen ab einer Inzidenz von 100 für Außengastronomie (bis 22 Uhr), Theater, Konzert- und Opernhäuser, Kinos und (Outdoor-)Sport, alles vorbehaltlich einer Genehmigung durch das Gesundheitsministerium, öffnen ab kommender Woche bei einer Inzidenz von unter 165 wieder die Grundschulen sowie die 5. und 6. Klassen der Förderschulen für Präsenz- und Wechselunterricht. In einem Monat dann sollen alle weiterführenden Schulen bis zur Inzidenz von 165 offen bleiben.

Aiwanger, der für die Lockerungen hart gekämpft und manche Spitze Söders hatte ertragen müssen: "Das sind Perspektiven, die wir gerne schon früher gehabt hätten." Söder hingegen sprach von einem "Fortschrittsgewinn - durch Testen und Impfen".