Dieselbetrug
Audi-Prozess findet kein Ende: Auch der zweite Urteilstermin wackelt

25.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:43 Uhr

Der Messschlauch eines Geräts zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt zur Schadstoffmessung im Auspuffrohr eines Audi A4 TDI. Was jedoch beim Betrugsprozess in München herauskommt, steht weiter in den Sternen. Foto: Fassbender, dpa-Archiv

Von Horst Richter

Der Vorsitzende Richter wollte „rein vorsorglich“ mal die Fühler ausstrecken. „Es könnte sein, dass wir Ende Juni nicht fertig werden“, gestand Stefan Weickert am Dienstag im Dieselbetrugsprozess von München. Nach seinen Worten geht es eventuell noch bis in den September hinein.



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Wofür die Strafkammer die zusätzliche Zeit benötigt, blieb nebulös. Denn Mitte oder Ende März sollen die letzten Gutachten vorgetragen sein, „dann wären wir soweit“, sagte Weickert fast im selben Atemzug. Das im Herbst 2020 begonnene Mammutverfahren mit seinen bisher 155 Verhandlungstagen sollte eigentlich bereits am 20. Dezember vorigen Jahres zu Ende sein – nach der damaligen Verlängerung bis zum 28. Juni drohen nun offenbar weitere Verzögerungen.

Für die Prozessbeteiligten bedeutet diese Ankündigung eine enorme Belastung. Angeklagt sind neben den früheren Entwicklern Giovanni P. und Henning L. der ehemalige Audi-Motorenchef und frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler. Der Vorwurf lautet unter anderem auf Betrug, weil sie für manipulierte Abgastechnik verantwortlich sein sollen beziehungsweise damit ausgestattete Dieselautos laut Vorwurf noch verkauft haben, als der Skandal bereits aufgeflogen war.

„Geht um sehr viel Geld“



Es geht in dem Verfahren nicht nur um Ruf und Ehre der vier Männer, sondern obendrein um sehr viel Geld. Denn die Kosten sind je nach Ausgang des Prozesses von den Angeklagten zu tragen. Schon jetzt geht es um Millionenbeträge – aber offenbar scheint das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Feststellungen wie „dann füllen wir die Zeit halt mit Zeugen“, wie es sinngemäß hieß, tragen nicht zum Vertrauen ins Gericht bei, das Verfahren rasch und ergebnisoffen zu beenden.

Außer Spesen fast nichts gewesen – so könnte auch das Fazit am Dienstag lauten. Geladen waren Zeugen, auf deren Anhörung die beiden Verteidiger von Giovanni P. Wert gelegt hatten. Sie hatten in Beweisanträgen in den Raum gestellt, dass die Audi AG nicht nur bei Diesel-Aggregaten, sondern auch bei ihren Ottomotoren spezielle „Zulassungs-Schaltprogramme“ entwickeln ließ. Aus einer E-Mail vom Mai 2013, der Teilnahme Stadlers an einer Testfahrt und dem Umstand, dass auch Ottomotoren betroffen waren, leiten P.s Verteidiger die Folgerung ab, dass höchste Führungskreise diese Machenschaften angeordnet haben müssen. Es habe eine übergeordnete Konzernstrategie gegeben, Abgastests zu manipulieren, sagen sie.

Zeugen blieben Beweise schuldig



Die von ihnen gewünschten Zeugen blieben Beweise dafür am Dienstag indes schuldig. Das Gericht suchte zwar mit aller Gewalt das Haar in der Suppe, doch ohne Erfolg. Stadler sei zwar bei einer im Beweisantrag genannten „Markenabnahmefahrt“ anwesend gewesen, hat aber laut Aussage eines 42-jährigen Entwicklungsingenieurs keinerlei strafrechtlich relevanten Einfluss genommen. Das Technikverständnis des Ex-Audi-Chefs sei ohnehin eher gering gewesen, erklärte der Zeuge. Vorsitzender Richter Weickert wollte es genau wissen: „Gab es Anweisungen zu Manipulationen bei Abgastests?“, fragte er. „Nein“, antwortete der 42-Jährige. In seinem Bereich sei es ohnehin nur um Fahrzeugbeurteilungen aus Kundensicht gegangen, ohne jede Messtechnik.

Die meisten Fragen am Dienstag betrafen Dinge, die gar nicht Teil der Anklage sind. Ein weiterer Zeuge musste anreisen, obwohl er nichts beitragen konnte, was sich vielleicht im Vorfeld hätte klären lassen. Nach Tagen wie diesen wundert es Beobachter nicht, wenn der Prozess kein Ende findet und immer mehr ins Geld geht. Fortsetzung ist am 31. Januar.

DK