Das kann doch alles nicht mehr wahr sein

Der Stadtrat diskutierte abermals in epischer Breite über die geplanten Kammerspiele

02.08.2021 | Stand 02.08.2021, 14:40 Uhr
Mißlbecks schmerzhafte Mine −Foto: Screenshot

Der Stadtrat diskutierte abermals in epischer Breite über die geplanten Kammerspiele

Von Michael Schmatloch

Albert Einstein bemerkte einmal, dass diejenigen Menschen mit eher überschaubarem Geist gesegnet sind, die ständig ein- und dasselbe diskutieren, permanent die gleichen Fehler machen in der Hoffnung, ein anderes Ergebnis zu erzielen. Wäre es Einstein vergönnt gewesen, die eine oder andere Stadtratssitzung in Ingolstadt zu „genießen“, er hätte seine Einschätzung wohl kaum korrigiert.

Zum gefühlt hundertsten Mal diskutierten die Stadtväter*innen das leidige Thema Kammerspiele, formulierten ohne jeden Anspruch auf Neuigkeitswert die stets gleichen Argumente. Gerade so, als sei der „Schlachtplan“ nicht längst festgelegt worden. Man hatte sich vor nicht allzu langer Zeit in einem Ausschuss darauf geeinigt, bis zum Ende des Jahres alle alternativen Standortpläne ruhen zu lassen, bis zuverlässige die Fakten eines Gutachtens auf dem Tisch liegen, was Statik, Risiken und vor allem Kosten am geplanten Standort hinter der Tränktorkaserne betrifft.

Dieser vernünftige Konsens indes schien in der jüngsten Stadtratssitzung völlig vergessen. Auch die kurze Standortbestimmung von OB Scharpf, dass man ja schließlich bereits einen Fahrplan habe, konnte die höchst überflüssige Wiederholung alter Standpunkte nicht verhindern. „Wenn es keine Mehrheit gibt dann gibt‘s halt keine“, meinte er im Vorgriff auf die für das Jahresende anstehende Entscheidung.

So abenteuerlich die Vorschläge für alternative Standorte von Mal zu Mal geworden sind, so irrwitzig sind die genannten Summen von 50 über 60 bis hin zu 100 Millionen Euro. Von keinerlei Wissen untermauert selbstredend. Die Kammerspiele sind, da hat Stadtrat Sepp Mißlbeck in der Tat Recht, zu einem Reizwort geworden. Man solle halt im Gottes Namen die vier Monate abwarten, bis die Fakten auf dem Tisch liegen.

Das aber wollen und können halt einige nicht. Alfred Grob hätte ungeachtet der vereinbaren „Friedenspflicht“ gerne aus Sorge, es könnte am geplanten Standort doch nicht klappen, die Alternative Klenzepark geprüft. „Jede in die Planung investierte Million ist gut investiertes Geld“, meinte er.

Nebenbei bemerkt: Vier Millionen Euro sind bereits in Planungen investiert worden. Und nochmal drei Millionen in die Planung für die Sanierung des Stadttheaters. Dass man diese Planung längst nicht mehr gebrauchen kann, ist eine ganz andere Geschichte. Für das Geld, was Ingolstadt für Gutachten, Machbarkeitsstudien und Planungen in die Luft bläst, bauen andere Kommunen ganze Stadtviertel.

Abwarten zu können ist nun mal eine Eigenschaft, die nicht jedem gegeben ist. „Was machen wir, wenn wir im Dezember keine Entscheidung treffen können? Wenn 60 oder 70 Millionen Euro an Kosten herauskommen, dann falle ich rückwärts vom Stuhl“, argumentierte Raimund Köstler von der ÖDP. Um das zu verhindern solle man die Planung für andere Standorte nicht ganz vergessen.

Auch Hans Stachel von den FW fand, ein Hinwarten bis zum Tag X sei der falsche Weg. Stattdessen solle mit Vorprüfungsarbeiten auch andre Standorte in Erwägung ziehen. „Bevor wir dann mit leeren Händen dastehen ohne einen Plan B.“ Und er orakelte weiter: Die Kosten würden sehr hoch sein und das Risiko sehr groß. Belastbare Zahlen geben es nun mal nicht zum Nulltarif, zumal die Stimmung in der Bevölkerung längst kontra Kammerspiele sei.

Was Manfred Schuhmann wieder einmal auf die von ihm reichlich benutzte Palme brachte. Er befand Stachels Einlassungen „fast schon unverfroren“. „Wer hat denn die Stimmung in der Bürgerschaft geschaffen“, wettere er mit Blick auf das von den Freien Wählen in Aussicht gestellte Bürgerbegehren, sollten die Kammerspiele an diesem Standort gebaut werden. „Machen Sie doch nicht weiter Stimmung gegen die Kammerspiele“, schrieb er ihm ins Stammbuch.

Immerhin Jakob Schäuble von der FDP bemerkte die Absurdität der Stadtratsdiskussion: „Es ist absurd. Wir diskutieren da gleiche Thema rauf und runter. Es übersteigt mein Verständnis, dass wir heute so lange diskutieren. Und auch Matthias Schickel von der CSU kam sich vor wie im „Kasperletheater“ oder in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Recht hat er. Na ja, nicht ganz, denn der Murmeltier-Film ist lustig, die Diskussionen im Stadtrat bestenfalls ärgerlich. Oder wie der große Schauspieler Peter Sellers in dem Filmklassiker „Eine Leiche zum Dessert“ sagt: „Flüssiger als flüssig, überflüssig.“

Und am Ende des Tages wäre es in dieser Stadt der unbegrenzten Unmöglichkeiten nicht weiter verwunderlich, wenn die tatsächlichen Baukosten und die verpulverten Planungskosten sich irgendwann die Waage halten.