"Charming Sepp" wird 76

Nach zwölf Jahren nimmt Sepp Mißlbeck Abschied vom Bürgermeisteramt - heute feiert er Geburtstag

28.04.2020 | Stand 28.04.2020, 8:30 Uhr
Mißlbeck
Stadtrat, konstituierende Sitzung −Foto: SCHMATLOCH

Nach zwölf Jahren nimmt Sepp Mißlbeck Abschied vom Bürgermeisteramt - heute feiert er Geburtstag

(ty) Ob das alles immer ein Grund zum Feiern ist, müssen wohl andere entscheiden. Angestoßen wird - bei Einhaltung aller Abstandsregeln und sonstigen Beschränkungen - in diesen Tagen aber sehr viel im Alten Rathaus. Es heißt Abschied nehmen voneinander und vom Amt. Am heutigen Dienstag ist das im 2. Stock auf alle Fälle mit einem freudigen Anlass verbunden, da ein Geburtstag genossen werden kann: der 76. von Sepp Mißlbeck, der just in seine letzten Tage im Amt des dritten Bürgermeisters fällt, das nach zwei Wahlperioden und zwölf Jahren endet.

Gestern gab es schon Weißwürste in der allerletzten Runde mit den städtischen Referenten, die sich nach dem Amtswechsel im Rathaus natürlich nie mehr in dieser Konstellation zusammengesellen wird. Gestern dann auch ein Glaserl mit anderen Besuchern, morgen Ausräumen der Sachen, die noch nicht den Weg aus dem Büro gefunden haben. Und am Donnerstag, dem letzten Apriltag, steht der Ausklang mit den engen Mitarbeitern im Büro an.

Ab Mai ist Mißlbeck dann wieder einfacher Stadtrat. "Jetzt kann ich wieder Opposition machen", sagt er lachend. Im Rathaus saß der UDI-Mann die letzten drei Jahren schon zwischen den Stühlen, war "kein geliebtes Kind mehr". Seit seinem Abschied von den Freien Wählern im Streit um den Bürgermeisterposten nach der Hälfte der Wahlperiode und der Gründung der Unabhängigen Demokraten Ingolstadts (UDI) war er ja teils Oppositioneller in dem bisher CSU-geführten Rathaus. Dann als Bürgermeister aber auch Teil dieser Stadtverwaltung ("Ein Mosaik"), gegen deren Vorlagen er mal in den Stadtratsgremien stimmte.

Erinnert sei auch an seine Skizzen vom Donauufer, mit denen er mitten in den Wettbewerb für den Neubau der Kammerspiele am Theaterplatz grätschte und sich in mehreren Abstimmungen blutige Nasen (sogar das Ergebnis 1:50) holte. Ganz im Stile eines Sportbürgermeisters eben, der aber als MTV-Ehrenpräsident von der Leichtathletik kommt. Sport, klar, das war und ist sein Steckenpferd. Für die 50-Meter-Bahn im Sportbad machte er sich immens stark, für den Triathlon, auch wie jetzt dann die Erneuerung aller Bezirkssportanlagen und vieles mehr. Sozialbürgermeister war Mißlbeck ebenso. Das Jugendbildungshaus am Baggersee soll erweitert werden, die neuen Stadtteiltreffs, besonders den im Konradviertel, half er anzuschieben. Seine erste Amtshandlung führte ihn zum Seniorennachmittag auf dem Pfingstvolksfest. Seine 20-minütige Verspätung, wie durchaus häufiger dem Engagement im Familienbetrieb und Stunden auf der Autobahn geschuldet, war nach einem Tänzchen und dem Lächeln von "Charming Sepp" wieder vergessen. Leutselig, das war und ist Mißlbeck wie kaum ein Zweiter. Er gab dem Rathaus auch immer ein menschliches Gesicht. Wo andernorts nackte Zahlen oder Zukunftspläne diktierten, war er der Nahbare, der Schanzer für Herz und Seele; und dem Ohr an der Bürgerschaft. "Man kann auch hackeln, aber man muss immer wieder zusammenfinden", so sein Credo.

Besonders nachdenkliche Momente begleiteten ihn nicht erst seit der Geiselnahme im Rathaus, die er 2013 besonders mit seiner Vorzimmerdame ("Das hat uns sehr zusammengeschweißt") und zwei anderen Rathausmitarbeitern zu durchstehen hatte. "Ich habe es verdaut", versichert er.

Als städtischer Repräsentant besuchte er die Holocaust-Gedenktage, die an den Ingolstädter Schulen "mit sehr viel Tiefgang" begangen werden, wie Mißlbeck, Jahrgang 1944, gerührt würdigt. Auch Kranzniederlegungen in der serbischen Partnerstadt Kragujevac haben ihn nachhaltig beeindruckt, wie er sagt. Seine Onkel Fritz und Theo, deren Namen er als weitere Vornamen trägt, seien im Frühjahr/Sommer 1944 gefallen, einer in Russland, der andere auf dem Balkan. "Und dann legst du dort als Deutscher so einen kleinen Kranz nieder", sagt er gedankenversunken.

Der Freitod von Klinikumsgeschäftsführer Heribert Fastenmeier ("einer meiner besten Freunde") in der Untersuchungshaft hat Mißlbeck sehr schwer getroffen. Neun Briefe schrieb der ehemalige MTV-Fußballabteilungsleiter alleine aus dem Gefängnis an ihn.

In städtischer Mission jettete der "Reisebürgermeister" allein in der zweiten Wahlperiode gleich neun Mal nach China, um die Partnerschaft mit Foshan zu intensivieren. "Das war schon anstrengend. Irgendwann habe ich gesagt: Ich fühle mich wohl bei euch. Ich gehöre ja schon dazu", berichtet er lachend.

Auf einem Rückflug von China entstand übrigens die Idee für die erwähnte legendäre Skizze der Kammerspiele über der Donau. Mißlbeck schmunzelt bei dem Thema. Er wird im neuen Stadtrat dem Planungsausschuss angehören und darf das Thema diskutieren. "Das große Wort Finanzen", steht spätestens seit Corona über allem. Im Juni sollen die Zahlen für die Planungen auf der Theatertiefgarage auf den Tisch. Dann erfährt der Stadtrat Mißlbeck, ob der Bürgermeister Mißlbeck zu recht immer gewarnt hat.