Busse fahren ein viel dickeres Minus ein

"Dramatische Auswirkungen" von Corona: INVG erwartet fast vier Millionen Euro höheres Defizit - Preiserhöhung abgeblasen

19.05.2020 | Stand 19.05.2020, 9:05 Uhr
Bus −Foto: Schmatloch

"Dramatische Auswirkungen" von Corona: INVG erwartet fast vier Millionen Euro höheres Defizit - Preiserhöhung abgeblasen

Mit dem Öffentlichen Personennahverkehr lässt sich als kommunale Tochter kein Geld verdienen, im Gegenteil, den muss man sich als Stadt in attraktiver Form leisten können und wollen. Und das wird für Ingolstadt eine noch teurere Angelegenheit, als es alle Verantwortlichen erwarteten oder es sich wünschten: Statt im Wirtschaftsjahr 2019/20 mit dem geplanten Defizit von 12,9 Millionen Euro auszukommen, rechnet die Ingolstädter Verkehrsgesellschaft (INVG) heuer aktuell mit rund vier Millionen Euro mehr, was den von der Stadt zu schulternden Betrag auf etwa 16,8 Millionen anwachsen ließe.

"Das sind dramatische Auswirkungen", sagte Geschäftsführer Robert Frank am Montag im neu zusammengesetzten Aufsichtsrat der INVG. Die Corona-Krise habe den Busbetrieb "mit voller Wucht" erwischt. Die "Fahrgastverluste" hätten zeitweise bei 80 bis 90 Prozent gelegen. Den Löwenanteil macht dabei die Schülerbeförderung aus, die natürlich durch die Schulschließungen komplett zum Erliegen kam. Aber auch die Ladenschließungen, der große Trend zum Home-Office sowie die Vollbremsung bei Audi spielen eine riesige Rolle. Wie Frank zusammenrechnet, würden sich die Einnahmeverluste in der gesamten Region, die als Verkehrsverbund VGI zusammengeschlossen ist, auf 10,7 Millionen Euro summieren, auf die Stadt Ingolstadt entfielen hier 7 Millionen.

Der Schlag ins Kontor kommt natürlich gerade für die INVG zur Unzeit, da man sich auf einem guten Weg wähnte, den ÖPNV in Ingolstadt aus dem früheren Schattendasein doch erfolgreich ins nächste Jahrzehnt zu führen. 2019 hatten die Verkehrsbetriebe, wie Frank die neu gewählten Stadträte auf den Stand brachte, einen Fahrgastrekord eingefahren: 57 383 Einsteiger im Schnitt an einem Werktag. Nach den großen Einsparungen zwischen 2002 und 2009 und einem Einbruch der Fahrgastzahlen damals, war das nun der vorläufige Höhepunkt einer ebenfalls ein Jahrzehnt dauernden Aufholjagd gewesen.

Von einem weiteren Aufschwung kann sich die INVG jetzt natürlich verabschieden, obschon man noch im Herbst und Winter so hoffnungsvoll in die Zukunft geblickt hatte und - wie berichtet - ein größeres Investitionspaket mit neuen Linien und Taktungen sowie Bussen auf den Weg gebracht hatte.

Jetzt nun die (staatlich verordnete) Vollbremsung, die nicht nur Fahrgäste durch die infektionsbedingten Auflagen für den ÖPNV gekostet hat, sondern vor allem auch mit Angst einhergeht. "Eine nie dagewesene Vertrauenskrise", so beschreibt Frank die Sorgen der Kunden, die zum Beispiel mit der Maskenpflicht eine Hemmschwelle für das Einsteigen haben. Umgekehrt wiederum müssen die Busunternehmen wie die INVG-Tochter Stadtbus GmbH die Einhaltung strikt kontrollieren. "Nahezu 100 Prozent" der nun wieder zahlreicheren Fahrgäste würden sich daran halten. Nur ganz vereinzelt müssten Kunden erinnert werden.

Wie die Leute wieder in den Bus bekommen? Frank denkt mit dem Aufsichtsrat an eine Imagekampagne, denn die Sicherheit sei gewährleistet, die Hygienekonzepte würden umgesetzt und auch die Abstandsregelungen könnten eingehalten werden. Einen kleinen Sympathiepunkt brachte Aufsichtsrat Matthias Schickel ins Gespräch: Schulkinder könnten doch die Haltestellen ansagen. Sorgen soll die INVG-Geschäftsführung vor allem aber bei einigen, teils sehr großen Arbeitgebern ausräumen, die ihrer Belegschaft auf dem Weg zurück ins normale Arbeitsleben (ins Werk) jetzt in Corona-Zeiten ausdrücklich eher nicht den Bus beziehungsweise ÖPNV empfohlen haben. Schlecht käme in diesen Tagen, wo um jeden Buskunden gekämpft wird, natürlich auch ein eigentlich fest eingeplantes Vorhaben: Im Sommer sollten die Fahrpreise im Tarifverbund um rund 2,8 Prozent steigen. "Das wäre ein schwieriges Signal, auch wenn die Erhöhung angemessen wäre", sagte Frank den Aufsichtsräten, die einem Aufschub der "Preisanpassung" schnell zustimmten und über eine andere Verschiebung deutlich mehr diskutierten: das 365-Euro-Jahresticket für Schüler und Auszubildende. Der Freistaat will es vorantreiben und finanziert ab 1. August 2020 zwei Drittel davon (zunächst für drei Jahre). Während andere Verkehrsverbünde wie der MVV in München schon zu diesem Stichtag starten, soll die Einführung in der Region Ingolstadt erst einige Monate später stattfinden. Es brauche Zeit für die Abstimmung mit den im Tarifverbund beteiligten Landkreisen, die noch nicht so weit seien und auch wegen Corona zurückhaltend reagieren. Klar geht es ums Geld: Alleine die INVG rechnet für sich mit 900 000 Euro jährlichen Mindereinnahmen durch das neue Ticket. Es soll nun möglichst zum Schulhalbjahr, spätestens jedoch zum 1. August 2021 in der Region kommen.

Frank sieht die spätere Einführung auch gelassen, denn im Stadtgebiet würden 90 Prozent der Schüler jetzt schon günstiger fahren: Durch den städtischen Zuschuss bei der sogenannten freiwilligen Schülerbeförderung kämen die Begünstigten auf nur 264 Euro im Jahr.

Von Christian Rehberger