Gut zu wissen
Bier, Zelt - Flirt? Der Oktoberfest-Guide zur Wiesn und ihren Tücken

17.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:36 Uhr

Besucher feiern in München auf dem Oktoberfest im Hofbräu-Zelt. −Foto: Tobias Hase dpa/lby

Nach zwei Jahren Zwangspause startet das Oktoberfest am Samstag in München - mit dem besonderen Bier, den besonderen Dirndl-Regeln und anderen verwirrenden Eigenarten.



Ab dem 17. September heißt es auf der Theresienwiese erstmals nach zwei coronabedingt wiesnlosen Jahren wieder: O‘zapft is! Gut zwei Wochen soll gefeiert werden wie früher - und wie eh und je hat das Fest seine Tücken. Gut zu wissen:

Anstich

Seit mehr als 70 Jahren zapft der Münchner Oberbürgermeister das erste Fass Bier an, ruft „Ozapft is“ - und eröffnet so das Fest. Initiiert hat das OB Thomas Wimmer 1950. Angeblich fuhr er auf dem Wagen der Wirte-Familie Schottenhamel zum Festplatz und der Wirt ließ ihn spontan anzapfen. Nach einer anderen Version war Wimmers Anzapfen geplant, setzte er so doch ein Zeichen für Volksnähe und Neuanfang.

Bier

Vorsicht! Das eigens für die Wiesn gebraute Bier ist besonders stark. Sein Alkoholgehalt liegt bei einer höheren Stammwürze bei 5,8 bis 6,4 Prozent, normales Helles hat etwa 4,8 Prozent. Eine Maß enthält so viel Alkohol wie acht Schnäpse, fünf Maß entsprächen einer Flasche Schnaps. Sie wäre teuer: Eine Maß kostet 12,60 Euro bis 13,80 Euro.

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CT

Erstmals können verletzte Wiesn-Gäste auf dem Festgelände mit moderner Bildgebung untersucht werden. An der Sanitäts-Wiesnwache wurde ein mobiler Computertomograph (CT) aufgebaut. Er soll vor allem der Diagnostik bei Kopfverletzungen dienen. So können die Ärzte und Sanitäter leichter entscheiden, ob etwa eine Platzwunde noch auf dem Gelände behandelt werden kann oder ob der oder die Betroffene doch ins Krankenhaus muss.

Dirndl-Code

Am Dirndl lässt sich erkennen, ob ein Flirtversuch lohnen könnte. Trägt die Frau die Schleife der Schürze links, ist sie frei, rechts bedeutet verheiratet oder in festen Händen. Schleife in der Mitte: Jungfrau. Schleife hinten: Unklar. Wohl keine Einheimische, so bindet man gemeinhin die Küchenschürze. Weil viele Damen das Dirndl schnell-schnell ohne Gebrauchsanleitung kaufen, geraten die Schleifenregeln durcheinander - und stiften genau die Verwirrung, die sie eigentlich verhindern sollten.

Flirt

Wir sprachen schon übers Bier und den Alkoholgehalt. Nochmal Vorsicht: Der Stoff enthemmt. Dazu kommt das Image der Wiesn als anarchische Orgie aus Bier, Hendl und angeblich unermesslichen Flirtchancen. Das alles lässt manchen sonst braven Gast im Rausch von Fest und Alkohol über die Stränge schlagen. Neu dieses Jahr: die Maske. Schützt vor unerwünschten Kussversuchen. Im schlimmsten Fall: Ordner rufen. Außer die Annäherung ist genehm. Dann ist nichts dagegen einzuwenden, sofern die Regeln der öffentlichen Ordung gewahrt bleiben. Was auch nicht immer der Fall ist.

Festgelände

Wer zur Wiesn geht, findet ein Oktoberfest in bewährter Form vor. Auf dem 34,5 Hektar großen Festgelände bauten 487 Betriebe auf – vom Flohzirkus bis zum riesigen Bierzelt. Die insgesamt 17 Bierzelte haben zusammen rund 120.000 Sitzplätze.

Gepäck

Am besten zuhause lassen. Gepäckaufbewahrung ist an den Eingängen aber möglich. Erlaubt sind Taschen und Rucksäcke mit einem Volumen bis drei Liter. Die Festleitung sprach der Anschaulichkeit halber stets von drei Milchtüten – was für die meisten Gäste nicht wirklich Sinn machen dürfte: Wer nimmt schon drei Liter Milch mit auf die Wiesn, wo es doch Bier gibt?

Infektionsgefahr

Die Wiesn findet wie alle Volksfeste ohne Corona-Auflagen statt. Erst in den öffentlichen Verkehrsmitteln muss wieder die Maske her. Mediziner rechnen durch das Fest mit einer neuen Corona-Welle; die Infektionsgefahr vor allem im Bierzelt sei hoch. Sie raten Menschen mit erhöhtem Risiko, das Fest zu meiden – oder zumindest nicht im Zelt zu feiern.

Maß

Als erstes: Die Maß, mit kurzem a. Nicht das Maß oder die Mass. Die Maß – weiblich! – ist das Maß für einen Liter. Dabei gilt eine gewisse Kulanz, der mit 0,9 Litern gefüllte Krug geht als Maß durch. In der Eile ist es wegen des Schaums schwer, die Maß wirklich voll zu bekommen.

Neuheiten

Ganz neu ist das Bräurosl-Zelt, das nun Peter Reichert als Wirt betreibt. Im Schaustellerbereich sind erstmals ein Familienkarussell mit Gondeln namens „Circus-Circus“ und ein Virtual-Reality-System namens „OktobVRfest“ dabei. Im Südteil des Geländes geht es auf der Oidn Wiesn mit ihren historischen Fahrgeschäften und Blasmusik gemütlich zu. Um auf diese Gelände zu kommen, ist ein Eintritt von vier Euro fällig, dafür kosten die Fahrgeschäfte lediglich einen Euro. Neu auf der Oidn Wiesn ist das „Schützenlisl“-Volkssängerzelt der Wirtsfamilie Stiftl.

Outfit

Erlaubt ist, was Spaß macht. Schotten kommen gern im Kilt, Herren schon mal in weiß-blauem Rautenanzug und Damen - von Traditionsseite her ein no go - in der Lederhose. Der Hut mit dem Stoffhendl drauf ist einfach nicht auszurotten, das T-Shirt mit „Leistungstrinker“ muss aber wirklich nicht sein. Wer auf dem Weg zum Fest an einer Bude Dirndl oder Lederhose erwirbt und glaubt, er trage nun echte Tracht, irrt. Die von Vereinen gepflegten Trachten, die von Dorf zu Dorf variieren, sind teuer und oft Handarbeit.

Öffnungszeit

Ab 9 Uhr dürfen Gäste aufs Festgelände. Die Zelte öffnen am Wochenende und feiertags um 9 Uhr, unter der Woche um 10 Uhr. Schluss ist um 23.30 Uhr. Der Ausschank endet unterschiedlich. Fahrgeschäfte beginnen nach dem Eröffnungstag ab 9 Uhr und sind in der Regel bis 23.30 Uhr offen. Am Freitag, an den Samstagen und am dritten Sonntag schließen sie um Mitternacht. Die Oidn Wiesn hat andere Zeiten: Sie ist von 10 bis 22.30 Uhr offen.

Plätze im Bierzelt

Hauptfrage: Wie kommt man hinein? Am besten unter der Woche tagsüber. Wie vor der Pandemie sind die reservierbaren Tische abends so gut wie weg. Allerdings gibt es immer Plätze, die nach komplexen Regeln unreserviert bleiben müssen. Der Bedienung Scheine zuzustecken, um an einen freien Tisch zu kommen, ist keine gute Idee. Wird sie vom Wirt erwischt, fliegt sie raus - die Gäste womöglich mit. Auch keine gute Idee: Zum Bummeln raus aus dem Zelt und später wieder rein. Wird das Zelt wegen Überfüllung geschlossen, gibt es keinen Weg zurück. Die Handtuch-Methode vom Strand funtioniert nicht. Wer Klamotten liegen lässt, ist sie womöglich los. Auch weil Langfinger unterwegs sind.

Sicherheit

Das Festgelände ist eingezäunt. Ordner kontrollieren Besucher an den Eingängen strichprobenartig. Rund 600 Polizeibeamte sind im Einsatz, dazu Taschendiebfahnder aus verschiedenen Ländern. 54 Videokameras – fünf mehr als 2019 – erleichterten den Blick in dunkle Ecken. 2019 erfasste die Polizei mehr als 130 Diebstähle und nahm zwei Dutzend Diebe fest. Also: Wertsachen am Körper tragen und Jacken nicht achtlos auf der Bierbank ablegen.

Wetter

Ein Wermutstropfen ist die Wettervorhersage zum Wiesn-Start. Just am Samstag soll es kalt und regnerisch werden. Die Temperatur soll fast bis auf zehn Grad sinken - kein Volksfest-Wetter. Dabei wollen die Wirte wegen der Gaskrise auf Heizstrahler dieses Jahr draußen verzichten. Festleiter Clemens Baumgärtner (CSU) sagte am Donnerstag zur Wetterprognose für die Eröffnung, diese schrecke ihn nicht. „Jetzt haben wir so viele Hürden gehabt: die Inzidenzen, das Aufbauen – das Wetter wird schön!“

Züge, S- und U-Bahn

Die Deutsche Bahn und die Münchner Verkehrsgesellschaft stocken ihr Angebot auf. Die Deutsche Bahn hat 470 zusätzliche Fahrten von Nahverkehrs- und S-Bahn-Zügen geplant. Die U-Bahnen fahren im Sonder-Takt alle 2,5 bis 3,3 Minuten. Und die Rolltreppen an der U-Bahn-Station Theresienwiese geben Gas: Sie rollen mit 0,68 Metern pro Sekunde statt mit 0,5 Metern. Wegen des Tempos wird aber niemand das Gleichgewicht verlieren – in vielen Ländern sind Rolltreppen auch im Normalbetrieb mit mehr Tempo unterwegs.

− dpa/afp/red