Bewegung Fridays for Future meldet sich mit meinungsfreudigen Reden zurück - "Kohle? Stopp!"

25.09.2020 | Stand 25.09.2020, 20:12 Uhr
Disziplin beim Infektionsschutz, offensive Slogans auf den Plakaten: Zahlreiche junge Leute demonstrierten am Freitag auf dem Rathausplatz (oben; am Mikro Luis Gutierrez), vor dem Theater (unten; links am Mikro Paul Kaliski) und ganz kurz auch vor der Franziskanerkirche. −Foto: Eberl

(ty) Den Späthochsommer haben die jungen Leute knapp verpasst.

Seit sechs Monaten überlagert die Viruskrise die Klimakrise. An diesem tristen Freitag treten die Klimaschutz-Demonstrantinnen und Demonstranten nach langer Pause wieder in die Öffentlichkeit. Und stehen im Regen. Noch am Tag zuvor hätten sie in der Sonne um so eindringlicher daran erinnern können, dass eine Wärmephase mit Temperaturen bis 30 Grad weit in den September hinein - wie heuer - kein Grund zum Strahlen ist.

Aber das Bündnis Fridays for Future (FFF) sollte - Wetterbericht hin oder her - besser nicht an einem Donnerstag loslegen. Die Aktivisten rufen zu drei Kundgebungen zur selben Zeit auf, um wegen des Infektionsschutzes Menschenmengen zu vermeiden. Trotz des trüben Wetters versammeln sich sehr viele Teilnehmer auf dem Rathausplatz. Vor dem Stadttheater sind es zunächst deutlich weniger, und die kleine Schar, die vor der Franziskanerkirche demonstriert, löst sich bald auf und schließt sich der Protestgruppe vor dem Theater an.

Die Rednerinnen und Redner wechseln hin und her. Sie bekommen viel Beifall. Zahlreiche Teilnehmer halten selbst produzierte Transparente hoch, deren Botschaften von Sarkasmus ("Oma, was ist ein Schneemann? ") über argumentative Grundlagenarbeit ("Fahrräder haben keine Emissionen") bis hin zu gepflegter Apokalyptik reichen ("Verkehrswende statt Weltende" Oder: "Die Welt brennt! ").

Die Kunstpädagogin Beate Diao hat viele der jungen Leute bei der Motivgestaltung unterstützt. Natürlich ist auch sie am Freitag auf der Straße.Die Zeit der Schulstreiks ist vorbei. Demonstriert wird nach dem letzten Gong, ab 13.30 Uhr. FFF grenzt sich konsequent von jenen Mitbürgern ab, die vielbeachtet gegen die Corona-Beschränkungen zu Felde ziehen und gern die Schuld an der Pandemie Bill Gates zuweisen oder die Existenz von Sars-CoV-2 leugnen. Bei den FFF-Kundgebungen herrscht strikte Maskenpflicht, eine freiwillige Maßnahme der Veranstalter. Alle Jugendlichen sowie die meisten älteren Teilnehmer halten sich dran. Wer gegen die Regeln verstößt, lässt Versammlungsleiter Luis Gutierrez (19) die Menge wissen, "wird sofort dazu aufgefordert, zu gehen". Am Rande sagt er: "Wir können ja nicht bei der Klimakrise, die ein bewiesenes Faktum ist, auf die Wissenschaftler hören und bei der Viruskrise nicht. Wir halten uns immer an die Wissenschaft! " Mit dem Mikro in der Hand donnert Luis Gutierrez los: "Was ist schon das bisschen Regen gegen die Klimakatastrophe? " Noch unerfreulicher als das Wetter (er wählt ein Adjektiv mit "b", das seriöse Zeitungen vermeiden) sei die Politik, "die den Klimawandel immer noch konsequent ignoriert". Es müsse das Ziel sein, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Dringend. "Die Folgen einer Erwärmung von zwei und mehr Grad wären fatal", sagt der 19-Jährige. "Man muss nur nach Australien schauen. " Dort brennen die Wälder. Oder auf die Antarktis. Sie schmilzt. FFF-Aktivistin Rike Goldberg ist 14 Jahre alt, feuert die Menge aber schon routiniert an, als demonstriere sie seit Jahren im Hambacher Forst oder an anderen Brennpunkten des Klimaschutzes. Sie intoniert den weltweit gerne geschmetterten FFF-Dialogschlachtruf: "What do we want? " Was wollen wir? Jetzt alle: "Climate justice! " Klimagerechtigkeit. Wieder sie: "When do we want it? " Wann wollen wir es? Alle: "Now! " Jetzt. Später in ihrer Rede ruft Rike Goldberg zu "mehr Solidarität für eine gerechtere Welt auf". Was Klimagerechtigkeit bedeutet, oder besser: Was droht, wenn reiche Nationen mit ihrer "rücksichtslosen Lebensweise" zig Millionen andere Menschen benachteiligen, legt Malik Diao (21) in seiner meinungsfrohen Rede dar: Klimawandel als eine Ursache für Flucht. Weil es die Menschen in ihrer aufgeheizten, verdorrenden Heimat beim besten Willen nicht mehr aushalten. "Wer lässt sonst alles zurück? Setzt sein Leben aufs Spiel? " Schuld sei "die Arroganz der Politiker" in den besser gestellten Staaten, "die den Wohlstand für sich behalten und Waffen ins Ausland verkaufen wollen".

Oft in Bürgerkriegsländer. Menschen flüchteten nicht nur wegen der Auswirkungen des Klimawandels, "sondern auch, weil sie bei uns Schutz vor unseren Waffen suchen". Diaos Appell: "Macht endlich was! " Paul Kaliski knöpft sich die Kohle-Lobby vor: "Die ineffizienteste und schmutzigste Variante, um Strom zu erzeugen! Und die Welt ist technologisch längst nicht mehr darauf angewiesen. " 200 Millionen Tonnen CO2 würden Deutschlands Kohlekraftwerke jedes Jahr ausstoßen, das seien 23 Prozent der deutschen Emission. Auch hierzu schmettern die Jugendlichen einen Dialogslogan. Eine junge Frau ruft: "Kohle, Kohle, Kohle! " Und ziemlich viele rufen zurück "Stopp, stopp, stopp! "