Ausgelassene Ferienstimmung will sich in diesen Wochen nicht einstellen in der deutschen Autoindustrie. Im Gegenteil: Einer Veröffentlichung des Münchner Ifo-Instituts vom Montag zufolge sank der Indikator für das Geschäftsklima in der Autoindustrie auf minus 18,3 Punkte – nach minus 9,5 Zählern im Juni. Nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts sackte vor allem der Wert, mit dem die Geschäftsaussichten beurteilt werden, regelrecht ab.
Den Grund dafür muss man nicht lange suchen: Er liegt in einer mangelnden Nachfrage, kombiniert mit hohen Ausgaben. Für das erste Halbjahr 2024 meldeten Volkswagen, BMW und Mercedes beinahe im Gleichschritt sinkende Umsatzzahlen. Im bisherigen Jahresverlauf wurden in Deutschland demnach fast 500.000 Neuwagen weniger verkauft als im Vergleichszeitraum 2019 – also vor Corona-Krise und Ukraine-Krieg. Auf der anderen Seite steigen dank der anvisierten Umstellung auf Elektro-Antriebe die Entwicklungskosten und anderweitige Kosten für die Umstellung.
Keine Käufer zu finden
Doch diese Elektro-Autos will derzeit offenbar niemand kaufen. Im Juli 2024 wurden in Deutschland 30.762 reine Elektro-Autos neu zugelassen – 36,8 Prozent weniger als im Juli 2023, wie das Kraftfahrt-Bundesamt mitteilt. Der Anteil der E-Autos an allen Auto-Neuzulassungen in Deutschland im Juli lag so bei 12,9 Prozent.
Damit bestätigt sich ein Trend. Schon seit Monaten stockt der Absatz von Elektroautos, die Neuzulassungszahlen sind deutlich geringer als noch im Vorjahr. Seit Januar wurden in Deutschland knapp 215.000 Elektroautos zugelassen, das entspricht 12,6 Prozent aller Neuzulassungen. In den ersten sieben Monaten des Vorjahres waren es 268.926 Elektroautos, der Anteil an allen Neuzulassungen lag bei 16,4 Prozent.
„Derzeit sind Elektro-Autos Ladenhüter“, sagt Constantin Gall von der Beratungsfirma EY. In weiten Teilen der Bevölkerung gebe es weiterhin erhebliche Vorbehalte gegen Elektro-Autos: „Die hohen Preise, das sehr überschaubare Angebot an bezahlbaren elektrischen Kleinwagen, der Preisverfall bei gebrauchte n Elektroautos werden ebenso kritisch gesehen wie die Reichweitenproblematik, lange Ladezeiten und die lückenhafte Ladeinfrastruktur.“
Dennoch kommen die Autohersteller auch aus politischen Gründen aus der „Elektro-Falle“ nicht heraus. Einer EU-Verordnung zufolge dürfen alle Pkw eines Herstellers, die in der EU zugelassen werden, einen bestimmten CO2-Grenzwert nicht überschreiten. Ohne einen nennenswerten E-Auto-Anteil ist dieser Grenzwert nicht zu halten. Wird er gerissen, drohen ab 2025 Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Um die zu umgehen, müsste der Volkswagen-Konzern laut Berechnungen von Bank-Analysten seinen E-Auto-Anteil auf 24 Prozent der verkauften Pkw steigern.
„Die Zukunft ist elektrisch“
Das dürfte schwierig zu erreichen sein – auch wenn man bei der Ingolstädter Volkswagentochter Audi weiter auf Elektro-Kurs bleibt. „Die Zukunft ist elektrisch“, erklärte am Montag eine Sprecherin zum wiederholten Mal. Sie verwies darauf, dass im Gegensatz zu anderen Marken der Anteil der Elektro-Autos am Gesamtabsatz bei Audi im ersten Halbjahr 2024 sogar leicht gestiegen sei. Allerdings fiel das Plus mit 1,3 Prozent recht übersichtlich aus; im ersten Halbjahr 2023 konnte der E-Auto-Absatz bei Audi noch um 51 Prozent zulegen. Dennoch fahren immer noch nur rund zehn Prozent der neu zugelassenen Audis elektrisch.
Inzwischen ist man analog zur Stimmung in der gesamten Auto-Industrie auch am Audi-Band beunruhigt. Dem Werk im belgischen Brüssel, in dem der Q8 e-tron hergestellt wird, droht (wie berichtet) die Schließung. In Ingolstadt wurde das Band, auf dem der neue Q6 e-tron produziert wird, über die Zeit der Werksferien hinaus um eine Woche länger gestoppt. Laut Auskunft von Audi waren Umbau- und Vorbereitungsarbeiten für den hier bald anlaufenden A6 e-tron der Grund. Dennoch wird in Audi- und Volkswagen-Kreisen immer wieder spekuliert, dass in den deutschen Werken die für den Konzern teuren Nachtschichten ausgesetzt werden. Das seien reine Spekulationen, so die Audi-Sprecherin auf Nachfrage gegenüber unserer Zeitung.
dpa/swy
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