Rundgang durch Haunwöhr zu umstrittenen Straßennamen
Auf den Spuren der „Ochsenschlacht“

18.10.2021 | Stand 18.10.2021, 7:39 Uhr
Straßennamen −Foto: Pehl

Geschichte vor der eigenen Haustür: Das bot der Historische Verein am Samstag wieder einmal an. Nach Alt-Haunwöhr und dem Antonviertel war diesmal Neu-Haunwöhr das Ziel eines informativen Spaziergangs mit Sabine Riedel. Genauer gesagt das Fliegerviertel, das Professorenviertel, das an das große geistesgeschichtliche Erbe der Universität Ingolstadt anknüpft, sowie die nach Generälen des Dreißigjährigen Krieges benannten Straßen: Neu-Haunwöhr hat historisch einiges zu bieten, erfuhren die Teilnehmer.

Neu-Haunwöhr, umgangssprachlich früher einfach nur "die Siedlung" genannt, entstand in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als kinderreichen Familien und verdienten NS-Parteimitgliedern zwischen der Spitalhofstraße und der Schrobenhausener Straße insgesamt 75 Parzellen zur Verfügung gestellt wurden. Noch heute existieren einige dieser fast 1000 Quadratmeter umfassenden Grundstücke, deren Größe durchaus gewollt war: Die Menschen sollten sich selber versorgen können. Die dazugehörigen Straßen wurden nach bekannten Fliegern benannt, von denen einige wie etwa Werner Mölders oder Ernst Udet heute sehr umstritten sind. Daher hatten die Linken, Grüne und SPD heuer im Stadtrat einen Antrag eingebracht, solche Straßennamen zu ändern respektive einige andere mit einem Zusatz zu versehen, was jetzt von einer Kommission geprüft werden soll.

CSU-Stadtrat Matthias Schickel, zugleich Vorsitzender des Historischen Vereins und stellvertretender Stadtheimatpfleger, rief dazu auf, derartige Straßenbenennungen "aus dem zeitlichen Kontext heraus" zu betrachten. Wie auch die CSU-Fraktion ist Schickel gegen ein "Vorgehen mit dem Radiergummi". Stattdessen plädiert er dafür, zu diesen Straßenschildern erläuternde Tafeln aufzustellen. "Wir sollten das eher als einen Ansatz zur Vermittlung sehen", sagte er. Sabine Riedel wies auf ein in ihren Augen positives Beispiel für eine Ehrung einer Fliegerpersönlichkeit in Neu-Haunwöhr hin: Melli Beese (1886 - 1925) war eine der ersten Fliegerinnen überhaupt und die erste Frau, die in Deutschland entgegen allen Widerständen einen Pilotenschein erwarb.

Illustriert von zahlreichen alten Plänen und Bildern erinnerte Sabine Riedel im Verlauf des Rundgangs auch an den 1984 verstorbenen Pater Josef Schmid. Nach ihm ist heute der Weg im Grünzug entlang der Maximilianstraße benannt, ein früherer Altarm der Donau. Vielen Haunwöhrern ist der Ordensmann der Herz-Jesu-Missionare noch bekannt, war er es doch, der den Bau der Kirche vorantrieb. Das als Notkirche geplante Gebäude wurde später der Pfarrsaal respektive Jugendheim.

Ein Kriegsverbrechen war der Tod des US-Piloten John Reynolds, der nach einem Angriff 1944 abgeschossen wurde. Das Flugzeugwrack bohrte sich beim heutigen Schulzentrum Südwest in den Boden, Reynolds überlebte und wurde gefangen genommen. Der berüchtigte NS-Kreisleiter Georg Sponsel brachte ihn unter dem Vorwand eines Verhörs in seinen Gewahrsam und erschoss Reynolds wohl auf dem Weg zum Lager Manching. Dafür wurde Sponsel 1946 von den Amerikanern zum Tode verurteilt und 1947 hingerichtet.

Dass das Areal des Schulentrums Südwest auch die Ochsenschlacht genannt wird, ist weithin bekannt. Bereits in der Apian-Karte von 1588 ist dort ein Ochse eingezeichnet. Was jedoch die wenigsten wissen dürften: "Der Name Ochsenschlacht hat nichts mit dem Schlachten von Ochsen zu tun", klärte Sabine Riedel auf. Eine Schlacht ist vielmehr ein umzäunter Weideplatz. Ingolstadt war früher eine Station auf dem Weg tausender Ochsen von Ungarn nach Deutschland und ein bedeutender Handelsplatz.

Die Ochsenschlacht ist aber auch der Ort, an dem die Schweden im Dreißigjährigen Krieg einige Stellungen aufbauten. Daher auch die Benennung etlicher Straßen in dieser Gegend nach Generälen dieses Krieges.

Gut 200 Jahre später waren es wieder die Militärs, die ein Auge auf den heutigen Südwesten der Stadt geworfen haben: Sie brauchten einen Platz, wo sie in Friedenszeiten Pulver und Munition lagern können. Da es innerhalb der Stadtmauern zu gefährlich wäre, entschieden sie sich für das heutige Pulverl. Am Anfang der Straße, wo die braune Tafel steht, entstand 1861 das Depot - woraus sich später der Straßenname ableitete. Von diesem Pulvermagazin ist heute nur noch eine leichte Erhöhung im Boden übrig. Im Gegensatz dazu gibt es - weithin unbekannt -noch ein zweites. Es befindet sich in Privatbesitz und liegt hinter der Tankstelle an der Ecke Manchinger Straße/Buchnerstraße.

In den 50er-Jahren setzte dann eine weitere Erschließungswelle ein: Das Professorenviertel entstand, wo die Straßen nach berühmten Gelehrten der alten Ingolstädter Landesuniversität benannt wurden: Fuchs. Ickstatt, Aventin oder Scheiner seien stellvertretend für viele genannt. (peh)