Architektenfehler kosten Gemeinde 800 000 Euro

24.02.2021 | Stand 24.02.2021, 19:40 Uhr
So schön soll der neue Kindergarten werden: Die Passionauten aus Schrobenhausen bügeln gerade nicht nur die Fehler des vorherigen Architekten aus, sondern haben auch diese Präsentation des Gebäudes, das im September eingeweiht werden soll, erstellt. −Foto: Passionauten

Bei der Ausschreibung des Kindergartenneubaus in Berg im Gau hat der ursprüngliche Planer offenbar zahlreiche Positionen vergessen

(ty) Eine wahre Kostenexplosion erlebt die Gemeinde Berg im Gau gerade beim Bau ihres neuen Kindergartens. Waren ursprünglich knapp 2,2 Millionen Euro berechnet worden, ist man mittlerweile bei 3,01 Millionen angelangt. Und noch immer hagelt es Nachträge der Baufirmen. Ein unschönes Erbe des Architekten, dessen Vertrag im August vergangenen Jahres gekündigt worden war, als bereits der Rohbau stand. Zu den Umständen, unter denen sich Gemeinde und Architekt damals trennten, will Bürgermeister Helmut Roßkopf (FW) gar nicht viel sagen.

Es ist aber gut möglich, dass das Ganze vor Gericht aufgerollt wird, denn eine Klage gegen den Architekten ist mittlerweile eine konkrete Möglichkeit für den Gemeindechef: „Wenn der Kindergarten fertig ist, werden wir genauestens hinschauen, wo kann sich die Gemeinde die Summen zurückholen, für die sie nichts kann.“ Erst einmal aber steht der Neubau im Vordergrund. Der soll weiterhin im September, rechtzeitig zum Beginn des neuen Kindergartenjahres, fertig sein. Und da hat die Gemeinde offenbar sogar richtig Glück gehabt, als sie im Sommer kurzfristig einen neuen Architekten suchte, der den bereits – wenn auch alles andere als rund – laufenden Bau übernehmen sollte. Mit den Passionauten bewarb sich ein Büro, das ein gutes Renommee hat und zudem gleich aus Schrobenhausen kommt, also immer mal schnell auf der Baustelle vorbeischauen kann. Das haben dann inzwischen die beiden Ingenieurinnen Sandra Starick und Kristin Kurczinski auch des öfteren gemacht. Die beiden haben nun die Aufgabe, dem Bürgermeister – und am Dienstagabend auch dem Gemeinderat – ständig neue Hiobsbotschaften zu überbringen. „Ich weiß nicht, wo ich hier sparen sollte, weil in welches Leistungsverzeichnis ich auch schaue, es kommt immer nur mehr dazu anstatt dass was wegfällt“, sagte Starick.

Ein Leistungsverzeichnis ist eine umfangreiche und durchaus komplexe Aufstellung von Arbeiten, Materialien, Stückzahlen, Qualitäten, Maßen, Ausführungen und vielem mehr. Benötigt wird es bei der Ausschreibung von Baumaßnahmen. Die Firmen kalkulieren anhand der Leistungsverzeichnisse ihre Preise und reichen Angebote ein. Wenn dann bei der Bauausführung festgestellt wird, dass Positionen im Leistungsverzeichnis fehlen oder zu gering angesetzt wurden, stellen die Firmen Nachtragsforderungen. Genau das passiert derzeit in Berg im Gau. Sandra Starick brachte einige Beispiele: Die Estricharbeiten seien für 38 000 Euro vergeben worden, dann sei ein Nachtrag über 40 000 Euro gekommen, weil für die Dämmschicht eine viel zu geringe Dicke ausgeschrieben worden sei. Die Fenster seien mit 98 000 Euro berechnet und dann mit 157 000 Euro vergeben worden.

Weil im Leistungsverzeichnis aber offenbar einige Fenster vergessen worden waren, liegt man hier nun bei 220 000 Euro. Fürs Dach kommen zu 122 000 Euro Ausschreibungsergebnis Nachträge von knapp 65 000 Euro hinzu, weil zum Beispiel keine Spenglerarbeiten ausgeschrieben worden seien und die Dachdämmung nicht gepasst habe. Auch beim Rohbau selbst, für 801 000 Euro vergeben, sei noch mit Mehrkosten zu rechnen, erklärte Starick: „Die Türbreiten haben alle nicht gepasst – der Kindergarten hätte nie in Betrieb gehen dürfen.“ Roßkopf ergänzte, dass eine ganze Wand habe versetzt werden müssen, weil sich der Architekt verrechnet habe und man sonst die Küche aus Platzmangel nicht hätte einbauen können. Außerdem habe man im Juli für den Rohbau noch mit Kosten von 540 000 Euro gerechnet. Insgesamt ist die Bilanz für den ursprünglichen Architekten verheerend: „Es sind diverse Gewerke nicht ausgeschrieben worden, nicht vergeben worden“, sagte Starick. Fast täglich würden neue Fehler in den Leistungsverzeichnissen offensichtlich. So langsam sei man mit den Gewerken aber durch, „wir hoffen, dass da nicht mehr so viel kommt“.

Bei mehr als 800 000 Euro Mehrkosten ist man aber schon jetzt angekommen – sehr viel Geld für eine kleine Gemeinde wie Berg im Gau. Wäre vor der Ausschreibung schon von einer Summe von drei Millionen Euro oder mehr die Rede gewesen, hätte der Gemeinderat dem Bau in dieser Form damals vielleicht gar nicht erst zugestimmt, gab Roßkopf zu bedenken. Der ehemalige Architekt soll, wenn der Kindergarten fertig ist, mindestens zu einer Stellungnahme aufgefordert werden. Und auch die Möglichkeit, den Mann zu verklagen, wurde konkret im Gemeinderat angesprochen. „Ich gehe davon aus, so ein Architekt muss versichert sein“, sagte Helmut Weber (FW) – aber was sei, wenn die Versicherung sage, er habe grob fahrlässig gehandelt? Er wolle den Architekten nun zwar nicht „an den Pranger“ stellen, sagte Roßkopf, aber als Bürgermeister müsse er erst einmal die Gemeindefinanzen im Auge behalten. Er wisse, was eine Gerichtsverhandlung bedeute, aber er sei bereit, diesen Weg erneut zu gehen. Erst in der Januarsitzung hatte Roßkopf die Einstellung eines jahrelang schwelenden Verfahrens gegen einen anderen Architekten öffentlich bekanntgegeben (wir berichteten). Damals war es um die Sanierung der Schule gegangen. Auch damals gab es einen Planerwechsel – der ausgebootete Architekt zog dann gegen die Gemeinde vor Gericht. Und der Kollege, der die Sanierung damals übernahm, war genau derjenige, der nun im August beim Kindergarten seinen Hut nahm.

Bernd Hofmann