Amtsgericht: Haftstrafe für 60-jährigen Polen

26.10.2020 | Stand 26.10.2020, 19:40 Uhr
Justizia
Symbolbild Gericht −Foto: Pixabay

Ukrainer ohne Sozialversicherung als Arbeiter eingeschleust:

(ty) Wir hatten bereits nach dem Verfahrensauftakt in der vergangenen Woche berichtet. Dem Mann, der sich wegen einer anderen Sache bereits in Strafhaft befindet, war in der Anklage die Gründung einer polnischen Firma angelastet worden, die sich nach den Erkenntnissen der Ermittler ausschließlich mit der Rekrutierung und Vermittlung von illegal beschäftigten Nicht-EU-Bürgern für deutsche Baustellen befasst haben soll. Eine solche grundlegende unternehmerische Verantwortung sah das Gericht letztlich zwar nicht mehr als gegeben an, doch für eine gewerbsmäßige Mithilfe bei der Einschleusung illegaler Beschäftigter in gleich 46 Fällen sprach nach Beweislage alles.

Unter anderem waren zwei Protokolle von Telefonmitschnitten der Polizei, die klare Aussagen des Angeklagten zu kriminellen Machenschaften rund um die Arbeitsvermittlung belegten, nicht misszuverstehen. Angesichts des recht einschlägigen Vorstrafenregisters des 60-Jährigen mit bislang zwölf Eintragungen war der Gesamteindruck für Richter Stephan Gericke in seiner Urteilsbegründung schlüssig: "Das passt alles ins Bild."

Nach Überzeugung des Gerichts hat der Angeklagte in der zweiten Jahreshälfte 2018 von seiner Wohnadresse in Polen aus, die zugleich offizieller Sitz des fraglichen Unternehmens war, in größerem Umfang Ukrainer, die von einem noch flüchtigen Komplizen angeheuert worden waren, mit gefälschten Papieren für befristete Arbeitsaufenthalte in Deutschland ausgestattet und auch den Transport der Bauarbeiter über die Grenze organisiert - mit Fahrzeugen eines Personentransportunternehmens, das der Mann allerdings legal betrieben hatte.

Einige dieser Fahrten gingen auf eine größere Baustelle im Ingolstädter Norden. Als die Ingolstädter Ermittler des Hauptzollamtes Augsburg, die von der illegalen Arbeitsvermittlung Wind bekommen hatten, einen solchen Transport abfingen, flog der Schwindel sofort auf. Die Männer aus Osteuropa hatten als einzig gültige Reisedokumente Visa vorzeigen können, die lediglich zu einem touristischen Aufenthalt in Deutschland berechtigten. Treuherzig war sogar behauptet worden, dass man sich auf einer Sightseeingtour nach München befinde . . .

Doch da war dem Zoll und der begleitend tätigen Polizei längst klar, welchem Netzwerk man da auf die Schliche gekommen war. Über die polnische Sozialversicherung hatte sich klären lassen, dass für die Ukrainer zu keinem Zeitpunkt Beiträge entrichtet worden waren. Da die Männer nicht in Deutschland gemeldet waren, hatten sich solche Zahlungen an hiesige Krankenkassen und somit in die deutschen Sozialversicherungen ohnehin nicht ergeben.

Als Organisator des personellen Zulaufs aus Polen auf der Baustelle war ein weiterer Mann ausgemacht worden, der am Montag als Zeuge geladen war, der allerdings über einen als Zeugenbeistand mitgebrachten Rechtsanwalt ein Aussageverweigerungsrecht durchsetzte. Obwohl gegen ihn hierzulande ein Strafverfahren gegen Auflagen eingestellt worden ist, müsse er als Mitläufer vielleicht noch ein Ermittlungsverfahren in Polen fürchten, hieß es zur Begründung. Das Verweigerungsrecht wird in solchen Fällen durch eine BGH-Entscheidung zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt.

In eine missliche Lage hat die illegale Rekrutierung auch jenen Ingolstädter Bauunternehmer gebracht, der Generalunternehmer auf der fraglichen Baustelle war und der deshalb jetzt als Zeuge aussagen musste. Gegen den Geschäftsführer war im Zusammenhang mit dem Gesamtkomplex ebenfalls ermittelt worden, doch wurde dieses Verfahren eingestellt.

Auf dem Zeugenstuhl mochte der Firmenchef sich nicht an Einzelheiten zu einem Werkvertrag mit dem inkriminierten polnischen Unternehmen erinnern. Er sei aber von einem sauberen Geschäft ausgegangen und habe alle Details einem externen Bauleiter überlassen, so die Kernaussage. Dass mit dem Partnerunternehmen nicht alles stimmen konnte, hatten die Ingolstädter Verantwortlichen gemerkt, als sie von Unruhe unter den Ukrainern erfuhren, die offenbar über Wochen keinen Lohn von ihrem polnischen Arbeitgeber erhalten hatten. Das Ingolstädter Unternehmen hatte die Männer deshalb letztlich mit Bargeld bezahlt, nur damit es auf der Baustelle weiterging.