Pulverfass Zuchering

19.05.2015 | Stand 09.10.2019, 3:47 Uhr

Das Thema Asylbewerber in der Immelmannkaserne ließ die Emotionen bei der Bürgerversammlung im Ingolstädter Ortsteil überkochen Von Michael Schmatloch Zuchering sitzt auf einem Pulverfass. Die Situation mit den 491 Asylbewerbern in der Immelmann-Kaserne scheint den Ort an den Rand des Erträglichen zu bringen.

Das Thema Asylbewerber in der Immelmannkaserne ließ die Emotionen bei der Bürgerversammlung im Ingolstädter Ortsteil überkochen

Von Michael Schmatloch

Zuchering sitzt auf einem Pulverfass. Die Situation mit den 491 Asylbewerbern in der Immelmann-Kaserne scheint den Ort an den Rand des Erträglichen zu bringen. Das jedenfalls war der Eindruck nach der Bürgerversammlung im Zucheringer Sportheim, das von den Anwohnern geradezu gestürmt wurde ob dieses brisanten Themas, mit dem – auch das zeigte sich bei der Bürgerversammlung – selbst Politik, Polizei und Verwaltung so ihre Probleme haben. Und das ob der Vielschichtigkeiten der Zuständigkeiten keine schnellen Lösungen in Sicht sind, war die enttäuschende Erkenntnis eines Abends, der emotionaler kaum hätte sein können. Kein Wunder bei gut 400 Bürgern und jeder Menge angestauten Unmutes.

„Was soll ich meiner 13-jährige Tochter sagen, wenn sie genau den sechs Typen wieder gegenübersteht, die wir vor einer Woche angezeigt haben, weil sie meine Tochter belästigt haben?“, fragt ein besorgter Vater und spricht vielen anderen aus der Seele, die ebenfalls Angst um ihre Kinder haben, Frauen, die offenbar zweideutig angesprochen wurden, Anwohnern, die einfach Angst haben.

„Bei jedem ,Hallo‘ wissen wir nicht, was kommt danach“, meinte eine junge Frau zu Umgang mit den Flüchtlingen, „es gibt welche, die sind nett. Andere haben einfach etwas anderes im Sinn.“ Und sie habe sogar von der Polizei den Rat bekommen, den Kempesee mit ihren Kindern beispielsweise zu meiden. Denn die Asylbewerber fühlten sich inzwischen von den Einheimischen belästigt. So ihrer Schilderung nach die Auskunft, die sie von der Polizei bekommen habe. Selbst Vorschläge wie man solle doch nach dem Abendessen die Tore der Immelmannkaserne zusperren, gehörten an diesem Abend zum Repertoire an Ideen, die dazu beitragen sollen, die Situation für die Zucheringer zu verbessern. Was natürlich auf den vehementen Widerstand von Lösel traf. Und das nicht nur aus rechtlichen Gründen.

Kein leichter Job an diesem Abend für Oberbürgermeister Christian Lösel, der sichtlich bemüht war, Wogen und Emotionen zu glätten. Was nicht so richtig gelingen wollte. Zwar gab er zu, dass es „solche Fälle“ gebe, meinte aber, dass es einfach gelingen müsse, die Asylbewerber einerseits gemäß den Vorgaben der Regierung aufzunehmen, andererseits die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen. „Es ist eine Herkulesaufgabe“, meint er.

Seine Mahnung, etwas Dampf aus der Diskussion zu nehmen und nicht mehr zu applaudieren bei den Wortmeldungen der Bürger, verhalte indes ungehört. Der Applaus sei der Dank, „dass endlich mal jemand den Mund aufmacht“, konterte eine Dame aus dem Publikum. Und . . . erntete Applaus.

Auch als sie später den OB aufforderte, ihr einen Rat zu geben, ob sie sich im Sommer noch im Bikini an den Kempesee legen könne, meinte der: „Wollen Sie von mir allen Ernstes ein Rat, dass Sie sich irgendwie einpacken und nicht herzeigen sollen.“ Nahm das „herzeigen“ dann aber auch gleich wieder zurück. Eine ultimative Antwort indes verweigerte er dann.

Die Situation zeigte exemplarisch, dass auch Oberbürgermeister Lösel mitunter an die Grenzen seiner Argumentations- und Leidensfähigkeit kam, dass an diesem Abend geballten Unmutes nicht jedes Wort so ganz ausgewogen war. Ob nun Wolfgang Scheuers „Wir müssen damit leben“ oder Lösels „ich bin auch nicht Schuld, dass die Asylbewerber da sind.“ Das Unbehagen mit der Situation war allenthalben spürbar.

Lösel mühte sich wirklich nach Kräften, die aufgebrachten und teilweise auch verängstigten Bürger zu beruhigen, ihnen das Gefühl zu geben, dass ihre Probleme ernst genommen werden. Doch bei vielen Fragen konnte er spontan auch keine Antworten liefern und sagte gar entwaffnet ehrlich auf eine Frage, wie das mit der Zahl der Asylbewerber weitergehen soll: „Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie es im nächsten Jahr aussieht.“

Eine Frage, die die Menschen in Zuchering bewegt. Aktuell sind 491 Asylbewerber (inklusive derer, die zwar auf Pfaffenhofener Territorium wohnen, gefühlt aber auch zu Ingolstadt gehören) in der Immelmannkaserne untergebracht. Die Kapazitätsgrenze liege bei 500. Es gibt, so merke ein Bürger an, indes noch einige freie Blöcke nach dem Komplettabzug der Bundeswehr. Nach heutigem Wissensstand – so Lösel – seien diese Büroblöcke nicht als Unterkunft für Flüchtlinge vorgesehen. So richtig festlegen wollte er sich in dieser Frage indes nicht. Denn zuständig dafür ist wieder einmal die Regierung von Oberbayern, der das Gelände gehört. Und das die Stadt gerne erwerben würde, um mehr Mitspracherecht zu haben.

Neben den Problemen mit Kindern, die von Asylbewerbern angegangen würden bis hin zur Frage nach Drogen, ist es vor allem die Vermüllung von Spiel- und Sportplätzen, die den Zucheringern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Und die alkoholisierten Flüchtlinge, mit denen es immer wieder einmal Ärger gebe.

Und genau bei diesem Thema stellte sich heraus, was übrigens Lösel an diesem Abend auch zum ersten Mal hörte: In der Immelmannkaserne selbst herrscht striktes Alkoholverbot. Was natürlich zu Folge hat, dass einige der Asylbewerber sich außerhalb des Geländes die Kante geben. Mit all den geschilderten negativen Folgen. Das will Lösel nun prüfen lassen. Denn dieser Umstand hat ihn selbst auch einigermaßen erstaunt.

Passieren soll jedoch noch mehr. So müht sich Lösel, die angesprochenen Lokalität wie den Kempesee verstärkt von der Polizei kontrollieren zu lassen. Zudem soll über Infomaterial für die Asylbewerber das Verständnis für die Kultur in Deutschland und die rechtlichen Gegebenheiten forciert, für die offenbar von spät heimkehrenden Asylbewerbern genutzte Buslinie 18 eine Alternative gefunden werden. Auch der Aufenthaltswert der Immelmannkaserne soll mit Sportgeräten und diversen Freizeiteinrichtungen erhöht werden, was wiederum zu einer Entlastung der Zucheringer Einrichtungen beitragen könnte.

Eines aber war trotz redlichen Bemühens von Stadtverwaltung und Regierung von Oberbayern auch klar: Es wird wohl nicht ausbleiben, dass es immer wieder einmal zu Problemen im Zusammenleben mit den Asylbewerbern kommen wird. Auch wenn Thomas Rieger von der Polizei die Zahl der Straftaten der Flüchtlinge als sehr gering einstufte. Übrigens auch die der tatsächlich eingegangenen Anzeigen wegen belästigter Kinder. Auch die Tatsache, dass das Thema „Asyl“ Ingolstadt und auch Zuchering noch viele Jahre beschäftigen wird, blieb am Ende als Erkenntnis nach einem Abend, der vom ehrlichen Bemühen um ein friedvolles Miteinader bis zur absoluten Hilflosigkeit im Umgang mit der Situation alle Facetten zu bieten hatte.