"Keine Tat, die spontan gekommen ist"

09.01.2018 | Stand 09.10.2019, 3:37 Uhr

Gerolfinger Beilangreifer landet wohl in der Psychiatrie – Verteidiger erhebt Vorwürfe gegen Angehörige (ty) Das Urteil wird am 15. Januar verkündet, doch spätestens nach den gestrigen Plädoyers ist klar, dass der Beilangreifer von Gerolfing für seine Bluttat gegen den Schwager in einem psychiatrischen Krankenhaus landen wird.

Gerolfinger Beilangreifer landet wohl in der Psychiatrie – Verteidiger erhebt Vorwürfe gegen Angehörige

(ty) Das Urteil wird am 15. Januar verkündet, doch spätestens nach den gestrigen Plädoyers ist klar, dass der Beilangreifer von Gerolfing für seine Bluttat gegen den Schwager in einem psychiatrischen Krankenhaus landen wird. Sein Verteidiger sah eine Mitverantwortung der Angehörigen für die Attacke.

Man hätte mit allem rechnen können und müssen nach der Weihnachtspause. Mehr als zwei Wochen Zeit hatte der Angeklagte, um sich Gedanken zu machen, zu formulieren und einen eigenen Beweisantrag einzureichen. Wie der 64-Jährige im bisherigen Prozessverlauf auftrat und Zeugenaussagen immer wieder anzweifelte und kommentierte, ließ das eben gleich auf mehrere seiner Schreiben mit der Forderung nach weiterer Aufklärung schließen, die da noch kommen sollten. Letztlich kam von ihm aber doch nichts mehr, sodass das Verfahren um die blutige Beilattacke des Gerolfingers auf seinen Schwager mit den Plädoyers der Beteiligten den vorletzten Schritt nehmen konnte. Der letzte, das Urteil, wird am kommenden Montag verkündet. Der Inhalt ist aber schon klar. Das Schwurgericht wird den 64-Jährigen vom Vorwurf des Mordversuchs freisprechen und ihn im selben Atemzug die dauerhafte Unterbringung zur Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus anweisen. Das haben Staatsanwalt Niki Hölzel, Nebenklagevertreterin Tanja Schwarz-Gewallig und Verteidiger Shervin Ameri gleichermaßen beantragt.

Dass der Angeklagte wegen einer "andauernden wahnhaften Störung" schuldunfähig ist, hatte der vom Gericht beauftragte psychiatrische Gutachter festgestellt. Er sei ohne Behandlung und in Freiheit "für die Allgemeinheit gefährlich", fasste Ankläger Hölzel den Kern zusammen. Der Angeklagte würde in einem neuen Umfeld wieder in die Verschwörungstheorienspirale geraten, die in dem Familiendrama von Gerolfing mündete. Der 64-Jährige griff seinen Schwager mit einem Handbeil im Treppenhaus des gemeinsam bewohnten Hauses völlig überraschend und von hinten an und verletzte ihn lebensgefährlich. Als Auslöser für die "abscheuliche Tat", wie Staatsanwalt Hölzel sagte, stand ganz am Anfang ein Mietstreitprozess, durch den der Schwager und die Schwester den Angeklagten aus seinem Elternhaus bekommen wollten, wo sie ihn in einer Notlage wieder aufgenommen hatten. Tatsächlich sollte er, wie vor Gericht vereinbart, am 31. März des vergangenen Jahres auch ausziehen - am Tag zuvor kam es zur Beilattacke.

Dazwischen aber hatte sich der studierte Wirtschaftsökonom in "ein ganzes Wahnsystem" verstrickt, wie Hölzel wiederum berichtete. Angeblich sollte die Familie - und dabei besonders der Schwager - ihn mit zerstochenen Reifen, Diebstählen, einer angeblich manipulierten Mikrowelle und gezieltem Lärm aus dem Haus habe "mobben" wollen. Als die haltlosen Vorwürfe nach Anzeigen bei Polizei und Staatsanwaltschaft ins Leere liefen, glaubte der Angeklagte an den Einfluss der großen Politik. Angeblich hätten sich sogar Horst Seehofer und die Bundeskanzlerin eingeschaltet. Briefe mit entsprechenden Anschuldigungen schickte der Angeklagte noch aus der Untersuchungshaft heraus an hochrangige Personen wie Erzbischof Reinhard Marx.

Opferanwältin Schwarz-Gewallig, die für die getroffene Familie des Schwagers ("Sie leidet noch immer darunter") sprach, hielt ihm seine fehlende Reue vor. "Kein Wort des Bedauerns" sei bisher gekommen.

Das liege daran, so entgegnete Verteidiger Ameri, dass sein Mandant in seinem "kranken" Kopf nach wie vor überzeugt ist, dass er im Recht gehandelt habe. "Dieser Mann braucht Hilfe", so der Anwalt in seinem Plädoyer, in dem er auch die Familie des Angeklagten mit harten Worten bedachte. "Die sollen sich überlegen, was auch sie falsch gemacht haben. Das war keine Tat, die spontan gekommen ist." Es habe schon lange Anzeichen für die psychische Erkrankung gegeben, die auch von der Familie erkannt worden seien (unter anderem die wunderlichen Strafanzeigen mit den haltlosen Vorwürfen), "aber man hat die Augen verschlossen", so der Anwalt deutlich.

Allen aus der Familie sei auch - wie im Prozess von einzelnen Mitgliedern im Zeugensitz selbst bestätigt worden war - klar gewesen, dass man den 64-Jährigen mit dem festen Auszugstermin in die Enge treibt. "Ein Mensch, der offensichtlich Probleme hat, sollte auf der Straße sitzen, sollte aus seinem Elternhaus fliegen", so Ameri. Da sehe er die Familie moralisch in der Mitschuld, für das, was letztlich passiert sei.

Von Christian Rehberger