Das große Unbehagen

20.04.2018 | Stand 09.10.2019, 3:36 Uhr

Was die Asylbewerberwelle aus Deutschland und seinen Städten macht Von Michael Schmatloch Es war das Jahr 2010, als Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ auf den Markt brachte und damit eine Welle der Empörung ebenso auslöste wie eine Welle der Zustimmung. Damals kamen etwa 40 000 Asylbewerber jährlich nach Deutschland. Fünf Jahre später waren es 40 000 in ein paar Tagen.

Was die Asylbewerberwelle aus Deutschland und seinen Städten macht

Von Michael Schmatloch

Es war das Jahr 2010, als Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ auf den Markt brachte und damit eine Welle der Empörung ebenso auslöste wie eine Welle der Zustimmung. Damals kamen etwa 40 000 Asylbewerber jährlich nach Deutschland. Fünf Jahre später waren es 40 000 in ein paar Tagen. Seit Sarrazins Buch auf dem Markt ist, kamen 1,4 Millionen Asylbewerber. Und der Hilfsbereitschaft großer Teile der Bevölkerung steht das Unbehagen, ja die Angst der gleichen Bevölkerung gegenüber. Wie sieht Deutschland, wie Bayern, wie Ingolstadt in 20 oder 30 Jahren aus, wenn die Zahl der Kriegsflüchtlinge aus Syrien und Afghanistan zwar abnimmt, aber die aus den afrikanischen Ländern zunimmt, wenn das einsetzt, was viele eine Völkerwanderung nennen? Wie sieht unser Sozialsystem aus? Bereits heute haben mehr als die Hälfte aller erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher Migrationshintergrund. Jeder zehnte ist ein Syrer.

Die Euphorie, die Zuwanderung könnte die Vergreisung der Gesellschaft stoppen, ist ebenso längst gewichen wie die Hoffnung, den Fachkräftemangel in Deutschland mit Hilfe der Zuwanderer zu stoppen. Denn gut ausgebildete Asylbewerber sind die verschwindende Minderheit, der Rest kämpft mit der Sprache und gar dem Analphabetismus.

Das Unbehagen in der Bevölkerung wächst, weil kaum jemand mehr glaubt, die Regierung habe ein Konzept für eine tragfähige Integration der Flüchtlinge oder gar ein Rezept für den quantitativen Aspekt des Flüchtlingsstroms. Über aus der Luft gegriffenen Obergrenzen wurde heftig diskutiert, über den Familiennachzug, über die sogenannte Rückführung und auch über die Islamisierung Deutschlands.

Es ist noch nicht lange her, das Innenminister Horst Seehofer mit seinem Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ erneut für kontroverse Diskussionen sorgte. Seinen Nebensatz, „die hier lebenden Musilme schon“ hat dann schon niemand mehr gehört. Historisch gesehen hat Seehofer natürlich recht. Der Zorn seiner Widersacher indes entbrannte doch mehr an dem untrüglichen Gefühl, dass die CSU sich in Richtung AFD auf den Weg gemacht hat, in eine rechte politische Region, von der Franz Josef Strauß einst gesagt hatte, dass sie jenseits CSU gar nicht existieren dürfe. Bei dem Unbehagen der Bevölkerung gilt es zwei Dinge zu unterscheiden. Die Angst vor der Islamisierung des Landes ist der eine Punkt. 4,7 Millionen Muslime leben in Deutschland. Eine Minderheit, deren Wachstum jedoch die Kirchen entgegenkommen. Denn 350 000 Kirchenaustritte im Jahr 2016 sind ein beredtes Zeichen für die schwindende und eben auch Identität schaffende Rolle der Kirche. Sie hat kaum noch etwas von der fundamentalistischen Kraft des Islam, die allerdings auch vor blutigem Terror nicht zurückschreckt. Riesige Betonpoller an den Eingängen zu Festen und Märkten sind die Mahnmale der Angst vor diesem „gläubigen“ Terror, die Tatsache, dass wir uns verbarrikadieren, wenn wir feiern wollen, ein Zeichen dafür, dass entgegen vollmundiger Lippenbekenntnisse unsere freiheitliche Demokratie längst tiefe Risse bekommen hat. Und auch wenn die Kirche nicht mehr den „Schutz“ der Bevölkerung genießt, so hinterlässt es doch ein massives Unbehagen, wenn wie im Hamburger Stadtteil Horn eine Kirche mit Hilfe der Finanzen aus Kuwait zu einer Moschee umgebaut wird, wenn das Kreuz ausgetauscht wird gegen den Schriftzug „Allah“. Kein Wunder, wenn angesichts derart nicht gerade feinfühliger Manöver Verschwörungstheorien Raum greifen, die besagen, dass Kanzlerin Merkel mit Hilfe finsterer Mächte plane, das ganze Volk auszutauschen. Diese „Umvolkungstheorie“ ist eine der derzeit beliebtesten Verschwörungstheorien in Deutschland.

Die Asylbewerberwelle hat aber noch einen weiteren Aspekt. Den, dass die jahrzehntelange Ausbeutung Afrikas durch die Industrienationen jetzt die von Europa ungeliebten Früchte trägt, dass die Menschen ohne jede wirtschaftliche Perspektive ihr Land verlassen und nach Europa kommen. Von bis zu 30 Millionen Flüchtlingen aus Afrika in den kommenden ist die Rede. Das wäre keine Flüchtlingswelle mehr, sondern eine Völkerwanderung.

Und dabei steckt die Integration bei uns noch in den Kinderschuhen, haben Politiker keinen Plan, wie ein tragfähiges Zusammenleben aussehen könnte. Internierungslager wie in Manching sind kaum die Lösung und liefern ob der hohen Kriminalität, die auf diesem Boden erwächst, nur Argumente für den rechten Rand der Bevölkerung, der – wie die Wahlergebnisse der AfD zeigen – längst mehr ist als ein Rand. Große Teile der Bevölkerung auch in der bürgerlichen Mitte Ingolstadts quält längst die Frage, ob das noch ihre Stadt, noch ihre Heimat ist.

Die Solidariät bröckelt gewaltig. Und eine Demo für die Abschaffung des Transitzentrums Manching vor gut einer Woche zeigte das auch deutlich. Von rund 150 Teilnehmern an der Demonstration auf den Theatervorplatz Ingolstadts bestand die überwiegende Mehrheit aus dunkelhäutigen Asylbewerbern.