"Da wäre es mir alleine dann schon etwas gruselig“

06.11.2017 | Stand 09.10.2019, 3:38 Uhr

Fühlen sich junge Menschen abends in der Innenstadt wirklich unsicherer? (ty) Die Polizei zeigt gerade am Wochenende mehr Präsenz in der Innenstadt. Zur Verstärkung gibt es auch einen kommunalen Ordnungsdienst. Doch fühlen sich junge Menschen abends wirklich unsicherer? Es ist 21 Uhr am späten Samstagabend. Die Nacht ist noch jung. Viel ist um diese Zeit noch nicht los in der Innenstadt.

Fühlen sich junge Menschen abends in der Innenstadt wirklich unsicherer?

(ty) Die Polizei zeigt gerade am Wochenende mehr Präsenz in der Innenstadt. Zur Verstärkung gibt es auch einen kommunalen Ordnungsdienst. Doch fühlen sich junge Menschen abends wirklich unsicherer?

Es ist 21 Uhr am späten Samstagabend. Die Nacht ist noch jung. Viel ist um diese Zeit noch nicht los in der Innenstadt. Bis in den frühen Morgenstunden womöglich Gruppen mit Betrunkenen grölend durch die Straßen ziehen oder es sogar zu Handgreiflichkeiten kommt, wird es noch etwas dauern. Im Engelwirt bereitet sich Wirt Sascha Lachner auf seine Gäste vor. Dass es in den letzten Jahren in der Altstadt unsicher geworden sei, kann er nicht bestätigen. Ein bisschen problematisch werde es nur in der Weihnachtszeit, wenn die Christkindlmärkte aufmachen. "Da gehen dann Kollegen, die sich schon nicht ausstehen können, zusammen auf den Weihnachtsmarkt und trinken. Da kommt es dann öfters mal zu Rangeleien", bemerkt Lachner.

Was Drazenko Simic, der Geschäftsführer der Disco Amadeus, erzählt, klingt ziemlich ähnlich. Auch er könne nicht sagen, dass die Gewalt in den letzten Jahren zugenommen habe. "Natürlich kann ich nur für den Bereich vor dem Amadeus sprechen. Aber Gäste, die laut singend hier rausgehen, werden in der nächsten Straße nicht gleich eine Massenschlägerei anfangen", sagt Simic. Dass die Türsteher häufiger eingreifen müssen, könne er nicht bestätigen. "Mal kommt es vor, dass ein halbes Jahr gar nichts ist, und dann muss ich zweimal an einem Tag die Polizei rufen", sagt er. Verallgemeinern lasse sich das aber nicht.

Für die Stadt ist das Thema Sicherheit aber von Bedeutung. Die CSU fordert mehr Kameras, kürzlich sprachen die Polizeichefs im Stadtrat. Der Begriff "subjektives Sicherheitsempfinden" wird häufig gebraucht. Doch fühlen sich die Ingolstädter wirklich unsicher?

Es ist 21.30 Uhr. Der Apotheker Stephan Kurzeder hat heute Notdienst. Durch die großen Scheiben seiner Apotheke direkt am Schliffelmarkt beobachtet er regelmäßig das Geschehen. Seiner Meinung nach hat der Lärmpegel schon stark zugenommen. "Ab 2 bis 3 Uhr morgens laufen häufig grölend viele junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren durch die Innenstadt. Früher war das weniger." Eine Stadt könne nicht dazu verkommen, dass sie am Wochenende zur Feierzone werde, so Kurzeder.

Es ist mittlerweile 22 Uhr. Im Sausalitos sind die Tische im Außenbereich gut gefüllt. "Unsicherer fühlt man sich eigentlich nicht", sagt Jana Konta. Wenn die 18-Jährige alleine zu ihrem Auto gehe, fühle sie sich zwar schon unwohl. "Aber das war schon immer so", sagt sie. Ihre 17-jährige Freundin Lorena Nelsen sieht das genauso. Dass es mittlerweile mehr Security vor den Bars gibt, ist ihnen aber schon aufgefallen - und sie nehmen es sehr positiv auf. "Seit es die Türsteher gibt, hat es sich schon gebessert. Man hat das Gefühl, wenn etwas passiert, dann wird schneller eingegriffen." Ein Streit, der zu einer Schlägerei ausarten könnte, werde so schon im Keim erstickt. Zu handfesten Auseinandersetzungen käme es deshalb mittlerweile sehr selten. Der kommunale Ordnungsdienst, der an Wochenenden abends in den Straßen seine Runden zieht, ist ihnen auch schon aufgefallen. "Ich habe die schon öfters gesehen", sagt Lorena. "Die laufen halt an einem vorbei und sprechen manchmal jemanden an, um nach dem Ausweis zu fragen."

Mittlerweile ist es 22.30 Uhr. Beim Sausalitos um die Ecke stehen mehrere Gruppen, die darauf warten, ins Suxul zu kommen. Darunter sind fünf Mädchen. Auf das Thema Sicherheit angesprochen, kann keine bejahen, dass es gefährlicher geworden wäre. Aber auch ihnen ist der kommunale Ordnungsdienst aufgefallen. "Einmal habe ich hier ein Mädchen gesehen, das sich übergeben musste. Der Sicherheitsdienst kam und fragte, ob sie es allein schaffe, nach Hause zu kommen." Auch ein anderes Mädchen der Gruppe sieht die zusätzliche Präsenz des Sicherheitsdienstes positiv. "Ich habe sie schon öfter beim ZOB gesehen", sagt sie.

Bald ist es Mitternacht. Die Altmannsteinerin Tina Estel wohnt zwar mittlerweile in München, ist aber immer mal wieder in Ingolstadt mit Freundinnen unterwegs. Angst habe sie dabei eigentlich nie, sagt die 23-Jährige. Dunkle, abgelegene Ecken oder Parks zu meiden, sei ohnehin selbstverständlich. "Da wäre es mir alleine dann schon etwas gruselig", sagt sie. Man müsse eben auch zu fortgeschrittener Stunde und eventuell unter Alkoholeinfluss "einfach ein bisschen aufpassen", dann ließe sich Ärger durchaus vermeiden.

Meistens zumindest. Einer ihrer Freundinnen ist unlängst etwas Erschreckendes passiert: Sie war mit einer Bekannten gegen 5 Uhr morgens zu Fuß aus der Innenstadt Richtung Westviertel unterwegs. "Hinter der Lärmschutzwand an der Ringstraße ist uns ein Mann entgegengekommen", erzählt sie. "Plötzlich hat er gesagt, ich soll ihm meine Tasche geben." Das habe sie natürlich nicht getan. Der Unbekannte habe daraufhin ihren Stoffbeutel gepackt und gezerrt. "Ich habe laut um Hilfe geschrien, aber es ist niemand gekommen", erzählt die junge Frau. Schließlich sei der Träger der Tasche abgerissen und der Mann mit seiner Beute davongelaufen. "Er freut sich jetzt über eine Schachtel Zigaretten", sagt die 23-Jährige, "Handy und Geldbeutel hatte ich glücklicherweise in der Tasche."

Trotzdem hat das Erlebnis Spuren hinterlassen. "Bis dahin habe ich mir über so was keine Gedanken gemacht. Vielleicht war ich da etwas naiv", sagt sie. Jetzt verspürt die 23-Jährige doch eine leichte Unsicherheit und hat Konsequenzen gezogen: "Ich nehme mir jetzt auch für kurze Strecken aus der Innenstadt raus ein Taxi."

Von Thomas Leurs und Johannes Hauser